Donnerwetter auf dem Olymp

■ Lutz Grüttke — bleibt er oder muß er gehen?/ Entscheidung heute/ Nolympia-City-Fahrrad-Demo gewaltsam aufgelöst/ »Olympisches Ringen«: Berlin blüht ein Defizit von 800 Millionen Mark

Berlin. Die tagelangen Auseinandersetzungen um den Chef der Olympia GmbH, Lutz Grüttke, werden heute zu einem vorläufigen Höhepunkt und Abschluß kommen. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft tagt und wird sich unter Vorsitz des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen mit dem bisherigen Schaffen des Geschäftführers befassen. Dem Gremium gehören neben Diepgen Finanzsenator Elmar Pieroth, Schulsenator Jürgen Kleemann und Bausenator Wolfgang Nagel an. Als Vertreter des Sports und der Wirtschaft sollen noch Manfred von Richthofen und Berthold Beitz aufgenommen werden. An der Sitzung wird zeitweise auch NOK-Präsident Willi Daume teilnehmen. Auch ohne Stimmrecht wird seine Stimme ein ziemliches Gewicht haben, wenn über Grüttkes Zukunft gesprochen wird. In der Senatskanzlei geht man davon aus, daß heute keine Entscheidung gefällt wird. Es sei, so Senatssprecher Eduard Heusen, weltweit kein Kandidat in Sicht. Ein sehr naheliegender Kandidat, der SPD-Landesvorsitzende Walter Momper, wollte sich gestern über seine Ambitionen nicht äußern. Wie aus seiner Umgebung zu erfahren, hat Diepgen bislang nicht bei ihm vorgesprochen. Gegen eine Abberufung Grüttkes sprechen die hohen finanziellen Kosten, die dann auf das Land Berlin zukämen. Grüttke erhielte in diesem Fall die vollen Bezüge bis zum Vertragsende im Jahre 1993 ausgezahlt. Mit 289.000 Mark jährlich ist er immerhin besser dotiert als der Regierende Bürgermeister.

Eine vom Anti-Olympia-Komitee organisierte Fahrrad-Demo ist am Mittwoch abend gewaltsam von der Polizei aufgelöst worden. Nach Augenzeugenberichten schlugen die Beamten mit Gummiknüppeln auf die Demonstranten ein, ließen Luft aus den Schläuchen und zerstachen Reifen. Die Polizei hat mindestens 30 Demonstranten vorläufig festgenommen. Mit der überwiegend friedlich verlaufenen Demo protestierten rund 600 Radfahrer unter anderem gegen das gleichzeitig gelaufene Dinner für die IOC-Olympia- Macher vor dem Pergamon-Altar. Die am Oranienplatz begonnene Demo führte durch die Ostberliner Innenstadt. Begleitet von der neuen »Olympia-Hymne«, dem Lalülala und Blaulicht der Wannen, skandierten die Radler »No Olympic-City«.

Daß Olympia 2000 die Stadt überfordere, darüber waren sich gestern auf einer Pressekonferenz auch Vertreter des Arbeitskreises »Olympisches Ringen« einig, dem Bündnis 90/Grüne (AL), die Grüne Liga Berlin, der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) sowie die Berliner Arbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN) angehören.

Schon die Funktion Hauptstadt und Regierungssitz würden die Baukapazitäten der Stadt genügend aus-, wenn nicht gar überlasten, sagte Andreas Schulze, Vertreter der Grünen/AL. Für Berlin entstehe laut Senatsbeschluß ein Defizit von 800 Millionen Mark, ergänzte Judith Demba, Vertreterin der Fraktion Bündnis 90/Grüne (AL). Die Vertreter wiesen auf den Planungsdruck hin, der durch eine Olympiade entstehen würde. Der Arbeitskreis überreichte am Mittwoch an das Internationale Olympische Komitee (IOC) einen offenen Brief, in dem er seine Argumente gegen Olympia darlegte.

Die Pressesprecherin der Grünen, Marie Luise Dittmer, wies noch einmal darauf hin, daß in der Bewerbung für Olympia 2000 sich lediglich drei Sätze mit dem unrühmlichen Hintergrund der Spiele von 1936 beschäftigen. aha/dr/abc