Was wird aus RIAS2?

Mit der Ausschreibung der RIAS-Frequenz setzt der Berliner Kabelrat die Politiker unter Handlungsdruck/ Privatisierung ja oder nein ist die Frage  ■ Von Karl-Heinz Stamm

Als die Regierungschefs der 16 Bundesländer Ende August den ersten gesamtdeutschen Rundfunkstaatsvertrag unterzeichneten, da hatten sie ein gutes Stück Arbeit hinter sich gebracht. In dem umfangreichen Werk wird nicht nur die Aufteilung der Rundfunkgebühren geregelt, sondern auch den ohne Programmauftrag dastehenden Sendern RIAS1 und Deutschlandfunk eine Zukunft als nationaler Hörfunk gegeben. Nur einen Sender, respektive ein Programm hatten sie vergessen: den RIAS2.

Dabei ist das Programm, um das es geht, heiß umworben. Denn die

RIAS2 macht das populärste Programm der Stadt

Jugendwelle, die mit dem ersten RIAS-Programm in der Kufsteiner Straße produziert wird, hat das reichweitenstärkste Programm Berlins. Nach der Mediaanalyse erreicht der Sender 24 Prozent aller täglichen Hörer ab 14 Jahre, im Ostteil der Stadt liegt der Anteil gar bei 35,9 Prozent. Selbst im Berliner Umland kommt das Informationsprogramm noch auf beachtliche 24,5 Prozent, das ist der zweite Platz.

Zwar werden seit geraumer Zeit die verschiedensten Modelle ventiliert, aber die Zeit drängt und das 35köpfige RIAS-Team tritt auf der Stelle. In dieser Situation hat jetzt der Berliner Kabelrat, das für die Frequenzvergabe zuständige Gremium, die Frequenz des Senders öffentlich ausgeschrieben und damit die verantwortlichen Politiker unter Handlungsdruck gesetzt. „Ein Apell“, nennt der Direktor der Anstalt für Kabelkommunikation, Hans Hege, das.

Zwar will, so heißt es in dem Beschluß, der Kabelrat „einer gesetzlichen Neuordnung der Frequenz- und Rundfunklandschaft in der Region Berlin-Brandenburg nicht vorgreifen“, gleichwohl zeigt er, wo es lang gehen sollte. Denn indem er neben privatrechtlich organisierten Anbietern „auch eine gemeinsame Bewerbung der Rundfunkanstalten in Berlin und Brandenburg für ein Gemeinschaftsprogramm als zulässsig erklärt“, wird klar, daß er eine solche Lösung favorisiert. Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe hat sich bereits für RIAS2 als künftiges gemeinsames Jugendprogramm der beiden Länder Berlin und Brandenburg ausgesprochen. Selbst Wolfgang Birthler, Fraktionsvorsitzender der SPD im Landtag von Brandenburg, ansonsten Wortführer in Sachen autonome Landesrundfunkanstalt, hatte sich entsprechend geäußert.

Natürlich sind auch alle anderen Möglichkeiten theoretisch noch offen. So ein von der RIAS-Intendanz ins Spiel gebrachtes Dienstleistungsmodell, das vorsieht, die beiden RIAS-Wellen als „publizistische Einheit“ zu erhalten. Das Programm von RIAS2 könnte weiter beim Mutterhaus produziert werden und würde an Dritte verkauft. Als Abnehmer kämen sowohl der Sender Freies Berlin (SFB) als auch die noch zu gründende Landesrundfunkanstalt in Brandenburg in Frage. Die Reaktionen auf das Modell waren allerdings eher negativ. Brandenburgs Rundfunkreferent, Dieter Stammler: „Meine juristische Phantasie setzt derzeit noch aus.“

Auch eine Privatisierung ist wei-

„Ich kaufe RIAS2“

terhin möglich. So hat Jürgen Doetz, Geschäftsführer von SAT 1, wiederholt sein Interesse an einem Hörfunkstandbein, sprich RIAS2, bekundet, und der Berliner Konzertveranstalter Schwenkow ließ durch die 'Bild‘-Zeitung wissen: „Ich kaufe RIAS2.“ Doch sind die Hürden für eine Privatisierung durch eine Vorgabe des Kabelrates erhöht worden. Denn sollte ein privater Anbieter das Programm samt Personal übernehmen, dann hätte er einen enormen Startvorteil gegenüber der Konkurrenz. Also soll der Anbieter einen besonderen Ausgleich für den Wettbewerbsvorteil erbringen. An eine finanzielle Abgabe oder eine besondere Berichterstattung, beispielsweise aus Brandenburg, ist laut Hege gedacht.

Selbst der SFB — trotz einer Programmreform im Mai letzten Jahres hat der Sender noch immer Probleme bei den Einschaltquoten — hat ein Auge auf das junge Informationspro-

Auch der SFB-Intendant ist scharf auf das Programm

gramm geworfen. So ist es durchaus zu verstehen, daß SFB-Intendant von Lojewski, „unter bestimmten politischen Voraussetzungen“ — was immer darunter auch zu verstehen sein mag — sein Interesse an RIAS2 bekundet. Lojewski befindet sich aber in einer Zwickmühle, denn einerseits könnte er mit RIAS2 seine miesen Ratings aufpolieren, beim wachsenden Werbevolumen im Großraum Berlin die Voraussetzung, vom Werbekuchen auch ein größeres Stück abzubekommen. Andererseits käme da ein komplettes Team mit einem eigenen Programmplatz an die Masurenallee — Streit und Mißgunst im Hause wären angesagt.

Der andere Interessent heißt Brandenburg. Das junge Bundesland hat zwar mit „Antenne Brandenburg“ einen Welle, die sich in der kurzen Zeit seit dem 1. Juli 1990 mit sage und schreibe 35 Prozent in ihrem Sendegebiet an die Spitze gesendet hat, ab dem 1. Januar nächsten Jahres soll aber ein weiteres Hörfunkprogramm ausgestrahlt werden. Da käme das RIAS-2-Programm gerade recht. Aus der ersten Welle würde ein heimatverbundenes und volkstümliches Programm, und mit dem RIAS bekäme man eine aktuelle Servicewelle. Für diese Lösung spricht, daß die Mitarbeiter des Jugendradios am ehesten in Richtung Brandenburg tendieren. Aber es kann ja nicht im Interesse Berlins sein, daß das populäre RIAS-Programm abwandert.

Zwar ist formell noch alles offen, doch deutet vieles auf eine Berlin- Brandenburg-Lösung hin. Die privaten Interessenten sollten darüber aber nicht verzagen, denn außer der RIAS-Frequenz sind noch vier weitere ausgeschrieben: zwei Hörfunkfrequenzen und zwei Fernsehkanäle. Im Äther über Berlin ist noch viel Platz.