Japan läßt sich mit Blauhelmen Zeit

Der Gesetzentwurf zur Entsendung japanischer Truppen für den UN-Einsatz stößt auf erneute Kritik aller Parteien/ Schnelle Verabschiedung im Parlament unsicher  ■ Aus Tokio Georg Blume

Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres hat die japanische Regierung gestern einen Gesetzentwurf zur Entsendung von Truppen für den Blauhelmeinsatz verabschiedet. Der Gesetzentwurf sieht nach den Worten von Regierungssprecher Misoji Sakamoto ausdrücklich vor, daß japanische Soldaten nur „im Fall der Selbstverteidigung“ ihre Waffen einsetzen können.

Diesem Zweck sollen gesetzlich abgesicherte Vorkehrungsmaßnahmen dienen, die den schnellen Abzug der japanischen Truppen gewährleisten, falls die Blauhelme tatsächlich einmal vor einer gefährlichen Situation stehen oder das Ende eines Waffenstillstands droht. Mit diesen Vorkehrungen, so betonte der Tokioter Regierungssprecher, wolle die Regierung der japanischen Verfassung Rechnung tragen, die die Gewaltanwendung zur Beilegung internationaler Konflikte grundsätzlich verbiete.

Ob der neue Gesetzentwurf die Zustimmung des Parlaments gewinnt, steht freilich offen. Bereits im Herbst letzten Jahres scheiterten die Vorhaben Tokios, der Anti-Irak-Koalition am Golf schnelle Hilfe zu leisten, am Widerstand der Parlamentarier aller Parteien, die sich damals noch auf eine pazifistisch gesinnte Stimmung im japanischen Volk beriefen.

Inzwischen ist das Blauhelmthema in Japan durch vielerlei technisches Gerede und zahlreiche Operationsvarianten, deren Unterschiede kein Bürger mehr versteht, auf eine Art banalisiert worden, die kaum noch Regungen in der Öffentlichkeit verspricht. Um so mehr hat sich deshalb der nie endende japanische Parteienzwist um das Gesetzesvorhaben gerankt.

Erst am Mittwoch meldeten sich auch in der liberaldemokratischen Regierungspartei Kritiker des Gesetzes zurück, denen es vordergründig erneut um gewichtige Verfassungs- und Moralfragen ging, aber die doch im Grunde nur die Wiederwahl des amtierenden Premiers Toshiki Kaifu verhindern wollen, die im Oktober plangemäß bevorsteht. Die Kritik aus den eigenen Reihen gab allerdings auch den kleineren Oppositionsparteien wieder Raum für Veränderungsvorschläge, obwohl Kaifu nach Monaten des mühsamen Verhandelns meinte, sich deren Unterstützung sicher zu sein. Die benötigt er, weil die Opposition im Oberhaus, der zweiten Parlamentskammer, über eine Mehrheit verfügt.

Aufgrund des erneuten Parteienstreits kann nun nicht mehr erwartet werden, daß das Blauhelmgesetz noch in diesem Herbst verabschiedet wird. Offenbar verspüren selbst die schärfsten Verfechter eines größeren japanischen Militärengagements im Ausland kaum Zeitnot. Die politische Müßigkeit, mit der Regierungspolitiker und Abgeordnete in Japan die Blauhelmdebatte führen, erinnert dabei an Zeiten des Kalten Krieges, in denen ein UN-Truppeneinsatz eher als politischer Tagtraum denn als reale Möglichkeit der Friedenssicherung galt. Wohl nicht zufällig ist in Japan noch niemand auf die Idee gekommen, die Durchführbarkeit des eigenen Gesetzesvorhaben am Beispiel Jugoslawien zu überprüfen.