Wenig Energie für die Stadt der Zukunft

■ Zwei Jahre nach dem Abschlußbericht des Bremer Energiebeirates ist der Senat im Handlungsverzug

Bitte das

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Danach lecken sich andere Kommunen die Finger: Ein detailiertes, wissenschaftlich unterfüttertes Handlungskonzept mit einer zeitlichen Perspektive bis ins Jahr 2010 für eines der zentralen Politikfelder der Zukunft. Keine Frage: Seit gut zwei Jahren ist der Bremer Senat in einer theoretisch beneidenswerten Situation. Da legte der Bremer Energiebeirat, seinen 240-seitigen Abschlußbericht vor. Renommierte Wissenschaftler, wie die Bremer Professoren Dieter von Ehrenstein, Cornelius Noack und Helmut Spitzley, der Klimaexperte Peter Hennicke und der Hamburger Atomwissenschaftler Klaus Traube hatten im Auftrag des Bremer Senats zweieinhalb Jahre gearbeitet. Und das Ergebnis ging weit über das ursprüngliche Ziel hinaus. „Wie können Bremen und Bremerhaven weitgehend unabhängig von Atomenergie werden“, lautete die durch Tschernobyl vorgegebene Fragestellung. Und die Antwort der Wissenschaftler lautete: Bremen kann erstens aus dem Atomstrom aussteigen, zweitens können 40 Prozent des Klimakillers CO2 eingespart werden, die Energiepreise könnten dabei sogar sinken und die Bremer Stadtwerke würden bei all dem sogar noch verdienen. Die wesentliche Voraussetzung benannte Frank Hennicke vom Freiburger Öko-Institut: „Jetzt ist der Senat in der Pflicht, diese große Chance auch wahrzunehmen.“

Der Senat seinerseits nahm den Bericht wohlwollend zur Kenntnis und setzte seinerseits Arbeitsruppen ein, die die 12 Grundsatz- und 88 Einzelempfehlungen der Wissenschaftler prüfen sollten. Weniger Wohlwollen kam dagegen aus den Stadtwerken Bremens und Bremerhavens. Während letztere den Energiebeirat bereits während dessen Arbeit links liegen gelassen hatten und ungeniert mit dem Überlandwerk Nord Hannover (ÜNH) über eine Verlängerung des Atomstromvertrages verhandelt hatten, gab sich der Bremer Stadtwerke-Chef Günther Czichon bedeckt. „Erwägen, bedenken, prüfen“, lautete der Tenor der Stadtwerke- Stellungnahme.

Zunächst wurde detailiert geprüft, ob denn Bremen auf den Atomstrom verzichten könne, den die PreAG, liefert. Da die 10 prozentige Stromlieferung benötigt wird, um die riesigen Laststöße von Klöckner aufzufangen, sollte die PreAG ihrerseits 10 Prozent der von den Stadtwerken erzeugten Überkapazitäten abnehmen, damit Bremen per Saldo dann frei vom Atomstrom werde. Doch aus der von SPD und Grünen geforderten und vom Senat angestrebten Null-Lösung wurde nichts. 1990 wurde in kartellrechtlichen Gutachten festgestellt, daß die Stadtwerke nicht die Möglichkeiten haben, die PreAg zur Rücknahme zu verpflichten. Seitdem ist das einst energiepolitische Thema Nummer eins wegen Sachzwangs von der Tagesordnung gestrichen und taucht inzwischen nicht einmal mehr in grünen Wahlprogrammen auf.

Nach dem leisen Ende einer

Eine feste Burg ist unser HausFoto: Steinberg

heftigen Debatte kehrte der Alltag in die energiepolitische Diskussion ein.

Alltag im Energiespargeschäft

Das hochbrisante Thema Fernwärmeversorgung im Bremer Westen spielte öffentlich kaum eine Rolle. Dabei wird im Kraftwerk Hafen jede Menge Wärme erzeugt, die bislang größtenteils ungenutzt bleibt. Ein systematischer Ausbau, wie vom Bremer Energiebeirat gefordert, findet bislang nur auf dem Papier statt. Da haben die Stadtwerke bereits gezeichnet, wie eine solche Fernwärmetrasse bis an die Innenstadt herangeführt werden kann, doch eine detaillierte Zeitplanung, auf

die sich potentielle Kunden vorbereiten könnten, gibt es nicht. Die Stadtwerke fürchten die hohen Investitionskosten und wollen sich selbst keine Konkurenz machen, denn die Fernwärmeversorgung könnte das lukrative Gasgeschäft tangieren. Im Westen also nicht viel Neues, einmal abgesehen davon, daß die Zellen des Oslebshauser Knastes inzwischen mit Fernwärme beheizt werden.

Eine andere Forderung der Gutachter dagegen wurde erfüllt. Kurz vor Ende der Legislaturperiode verabschiedete die Bürgerschaft ein Bremer Energiegesetz, eines allerdings, daß von den ursprünglichen Überlegungen des Energiebeirates entscheidend abweicht. Gegen den ursprünglichen Entwurf, nachdem die zuständige Behörde die Stadtwerke durch Weisungen hätte beeinflußen können, lief Stadtwerke-Chef Günter Czichon Sturm gegen den Versuch „die Stadtwerke an eine möglichst kurze behördliche Leine“ zu legen. „Der ruft dann bei Wedemeier an und dann wird das 'runterbuchstabiert“, weiß ein ehemaliger Energiebeirätler über die Strukturen zu berichten. Folge: Das Gesetz wurde erst vom Senat kassiert und dann soweit verwässert, daß zum Beispiel die Grünen meinten, ein solches Gesetz habe man auch gleich lassen können.

Mehr Erfolg hatte der Energiebeirat mit der Anregung, ein Institut in Uninähe zu schaffen. Dieses Institut soll unter anderem Kommunen beraten, wie vor Ort eine ökologische Energiepolitik angegangen werden kann. Ein Projekt, von dem sich Bremen einiges Renommee erwarten kann, allein schon deshalb, weil mit Klaus Traube ein allgemein anerkannter Institutsleiter gewonnen werden konnte.

Auch die Stadtwerke zeigten sich nicht gänzlich unbeeindruckt von der Diskussion. Sie stieg vorsichtig in den Wärmedirektservice bei Großwohnanlagen ein, erklärte den neuen Unternehmensgrundsatz „Raus aus der Stromwärme“, übernahm von der GEWOBA Blockheizkraftwerke und machte mit Gichtgas, einer Beteiligung am Windpark in Wremen und am 1.000 Dächer-Programm des Bundes ein bißchen Werbung für regenerative Energien und für das eigene Firmenimage.

Symbol Weserkraft

Bei dem symbolträchtigsten Projekt bremischer Energiepolitik allerdings zeigte sich Stadtwerke- Chef Czichon wieder von seiner knallharten Seite. Seine Experten rechneten und Czichon befand: Viel zu teuer und unrentabel. Das Projekt schien bereits endgültig gestorben, da gelang es der Umweltbehörde ein privates Konsortium aus renommierten Unternehmen für die Weserkraftwerkspläne zu gewinnen. Mehr als 20 Millionen waren die Privaten billiger als die Stadtwerke. Czichon bezweifelte die Rechnung heftig. Doch inzwischen machte die gesamte Bürgerschaft Druck für Weserkraft und Bürgermeister Klaus Wedemeier die Angelegenheit zur Chefsache. Jetzt soll gebaut werden, doch ob dieser Beschluß nach den Wahlen noch Bestand haben wird, ist offen. Denn die Grundsteinlegung ist noch in weiter Ferne, nachdem die für die Weser zuständige Wasser- und Schiffahrtsdirektion ihren Widerstand immer noch nicht aufgegeben hat. Und ob die Zusage, die jährlichen Betriebsverluste des Kraftwerkes von etwa drei Millionen Mark nach den Wahlen noch gilt, bleibt abzuwarten. Stadtwerke-Chef Czichon selbst wird bei der Einweihung des so heftig bekämpften Ökokraftwerkes aller Voraussicht nach nicht mehr applaudieren müssen. Seine Vorstandstätigkeit endet im Jahr 1994.

Die Mitglieder des Energiebeirates sind derweil je nach Temperament und politischer Couleur mehr oder weniger zufrieden mit dem, was der Senat bislang von den Arbeits-Ergebnissen umgesetzt hat. Oder wie einer sagt: „In Bremen sage ich immer: 'Das ist alles viel zu wenig'. Und in anderen Städten sage ich: 'Guckt nach Bremen, da tut sich was.'“

Holger Bruns-Kösters