Sparkasse erpreßt Übersee-Museum

■ Kulturpolitik per Drohbrief: Wie Ulrich Nölle und Friedrich Rebers für ihr Ticket-Service-Center gesorgt haben

Bremens heimliche Kultur-Schaltstelle: Sparkassen-Zentrale am BrillFoto: Falk Heller

Am 1. Februar überbrachte die Post dem Überseemuseum ein sonderbares Schreiben, Absender: Die Sparkasse in Bremen. Adressat: das Projektbüro „Peter der Große“. Die Ausstellungsmacher staunten nicht schlecht: In dem Schreiben hatte das gemeinnützige Geldinstitut pengpengpeng drei Drohungen abgefeuert: Falls sich das Museum nicht besinne, würde man ihm

erstens die Eintrittsgelder von zwei Nachmittagen pro Woche entziehen,

zweitens alle Spenden ab dato einstellen,

drittens auf jeden Fall sofort eine geplante Begleitausstellung in der Kassenhalle Am Brill stornieren.

Unterzeichner des Erpressungsschreibens: Ulrich Nölle, cand. bürgerm., sowie Friedrich „Erbonkel“ Rebers in seltener Einigkeit.

Der Grund für die Aufregung: Das Projektbüro, welches das Management der Zarengold-Ausstellung im Übersee-Museum betreibt, hatte für den bundesweiten Kartenvertrieb die an das START-System angeschlossenen Verkaufsstellen, hauptsächlich

hier bitte das Foto mit

der Sparkasse

Reisebüros, gewählt. Das bremische „Ticket-Service-Center“ ging, weil es mit START nicht arbeiten kann, dabei leer aus. So die Rechnung.

Dann aber kam das Schreiben vom Wirt: Die bremische Sparkasse, zu 80 Prozent an der Ticket-Service-Center GmbH (TSC) beteiligt, beklagte sich in dem Brief, der der taz vorliegt (s. Abb.), trotz ihrer Intervention sei das TSC nicht berücksichtigt worden. Sodann holte das Institut weit aus zur Züchtigung: „Wir machen Sie in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, daß die Sparkasse 1891 (also vor hundert Jahren!!! d.Red.) durch eine Spende von 237.000 Mark die Gründung des Museums ermöglicht hat (Bausumme insgesamt 800.000 Mark) und daß das Museum damals die Verpflichtung akzeptiert hat, für die Nachmittage von zwei Wochentagen der bremischen Bevölkerung den unentgeltlichen Zutritt zu gewähren. Sie werden sicherlich Verständnis dafür haben, daß wir im Hinblick auf Ihre mangelnde Kooperationsbereitschaft uns vorbehalten, diese vom Museum übernommene Verpflichtung einzufordern.“

Es war den Schreibern aber nicht genug, dem Museum, welches im übrigen für die vermurkste Ausstellung und alles, was damit zusammenhängt, gar nichts kann, evtl. die Kartenerlöse zu beschneiden. Weiter im Text: „Darüber hinaus werden wir Ihre Einstellung zu unserem Hause bei künftigen Spendenbitten des Museums zu berücksichtigen wissen. Außerdem möchten wir davon Abstand nehmen, die für den 27.5. bis 14.6.91 in unserer Kassenhalle geplante Ausstellung 'Karikaturen aus der Sowjetunion' durchzuführen.“

Das Ausstellugs-Büro in seiner Not zeigte Gehorsam gegenüber der Sparkassen-Erpressung und suchte Zuflucht bei einer grotesken Strategie des Kartenverkaufs. In den euphorischen Frühzeiten des Projekts nämlich, da man sich noch wohlig vor evtl. hereinbrechenden Besuchermassen fürchtete, war beschlossen worden, diese Sturmflut einzudeichen: Man teilte die gesamte Ausstellungsdauer in halbe Stunden und beschloß zeitgebundene Eintrittskarten: pro halbe Stunde sollte bundesweit nur ein gewisses Kontingent vertrieben werden.

Das Problem: Sowas kann nur START, sowas muß in einer Hand organisiert sein — wie also das hiesige TSC mit seinen sechs Filialchen erzwungenermaßen beteiligen, wenn das TSC aus technischen Gründen mit START nicht kann? Die Lösung: Das TSC bekam die Eintrittszeiten 11 Uhr und 16 Uhr jeden Tages zugewiesen. Die Folge: Wer zu START ging und um 11 Uhr in die Ausstellung wollte, bekam ein schlichtes „Bedaure“ zur Antwort; wer sich zum TSC verlief und nicht zufällig um 11 oder 16 Uhr eingeschleust werden konnte, hörte ebenfalls nur „Ausverkauft“ oder eine ähnliche Ausrede.

Derart blockierten sich die beiden Vertriebssysteme gegenseitig. Dennoch war schon dafür gesorgt, daß die Sparkasse mit ihrer großen Pistole keinen erheblichen Schaden anrichten konnte: Die erwarteten Massen sind sowieso ausgeblieben, ihr Desinteresse verhalf der Zeitkarten-Posse zu einem frühen Ende. Manfred Dworschak