KOMMENTARE
: Streit im Basislager

■ Gefährliche Alpinisten auf dem Weg nach Europa

Vor knapp zwei Wochen, nach der letzten Tagung der EG-Finanzminister, formulierte der Bonner Finanzstaatssekretär Köhler die Probleme um die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) kurz und griffig: „Wer zum Bergsteigen nicht ausreichend vorbereitet ist, wird zum Risiko für die ganze Seilschaft.“ Gemeint war, daß die Volkswirtschaften der EG-Mitgliedsländer in puncto Inflationsraten, Zinshöhen, Wirtschaftswachstum und Staatsverschuldung so weit auseinanderklaffen, daß eine gemeinsame Wirtschafts- und erst recht Währungspolitik unmöglich scheint. Seither geistert die Seilschaften- Metapher für das wohl unsinnlichste Euro- Problem durch die Presse. Nun ist das Gute nach oben und das Böse nach unten sortiert. In diesem Sinne treffen an diesem Wochenende die Finanzminister und Notenbankchefs erneut aufeinander.

Allerdings: Gute Seilschaften zeichnen sich dadurch aus, daß sich Tempo und Ziel nach der Konstitution ihrer schwächsten Mitglieder richten. Von Anfang an war bekannt, daß gut die Hälfte der EG-Mitgliedsländer arge Schwierigkeiten haben würde, dem vereinbarten WWU-Programm zu folgen und — Kompromisse hin, Schönrednerei her — den Gipfel zu besteigen, den die Deutsche Bundesbank vorgegeben hat. Verabredet ist verabredet. Das aber auch für die Starken. Und gute Seilschaften suchen sich einen Aufstieg, der den weniger Leistungsfähigen als Trainingsphase dient, auch wenn die Cracks anfangs gelangweilt sind.

Der Konsens über den gemeinsamen Aufstieg steht nun, im Basislager, vor dem Zerbrechen. Aus der einen Seilschaft werden zwei — und längst schon hat sich, noch im Tal, eine dritte Gruppe gebildet, die allerdings schon jetzt mit Steinen eingedeckt wird, die die beiden oberen Gruppen lostreten. Ganz unten versammeln sich die ostmitteleuropäischen Länder, die nach dem jüngsten Veto Frankreichs aus der ersten und Portugals aus der zweiten Gruppe nicht einmal beim Handel mit der EG bevorzugt behandelt werden sollen.

Im zerstrittenen Basislager bleibt nur die Alternative, entweder die Anführer auszutauschen oder getrennte Wege einzuschlagen. Wenn sich eine Führungsgruppe, die einen ihr unbekannten Gipfel besteigen will, hochmütig verhält, ist in den Bergen ohnehin akutes Mißtrauen angebracht. Getrennte Wege und getrennte Ziele sind dann am sinnvollsten und schützen vor dem Absturz. Und schließlich bietet auch eine Hochebene Reize und Mühen genug. Dietmar Bartz