Integration nennt man das

■ Die Politiker sind unfähig, in Sachen nationaler Rundfunk eine Entscheidung zu fällen

Integration nennt man das Die Politiker sind unfähig, in Sachen nationaler Rundfunk eine Entscheidung zu fällen

Auch eine Nichtentscheidung ist eine Entscheidung. Es kann, das ist offensichtlich, alles so bleiben wie bisher. Eigentlich könnten jetzt alle Beteiligten zufrieden sein: Der Deutschlandfunk (DLF) sendet weiter aus Köln, der RIAS mit seinem TV-Programm bedient Berlin und der Deutschland-Sender Kultur bestrahlt den Ostteil Deutschlands, nachdem formell die Zukunft gesichert und die Belegschaft beim ZDF geparkt ist. Problematisch ist, daß bei den medienpolitischen Verhandlungen nicht Sachobjekte zur Disposition stehen, sondern menschliche Gebilde, Redaktionen, die auf politische und gesellschaftliche Veränderungen — das ist ihre Profession — empfindlich reagieren (müssen). Die Ungewißheit ist nicht nur Gift für jede Redaktion, sondern auch für das Programm.

Entscheidend ist aber etwas anderes. Nachdem sich die Ministerpräsidenten in langen, zähen Verhandlungen auf drei nationale Programme geeinigt hatten, wird jetzt seitens der CDU/CSU und auch der FDP zum Rückzug geblasen. Selbst Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Rau, der die Kompromißformel wohl mitgetragen hat, spricht jetzt nur noch von zwei Hörfunkprogrammen. Das ist frequenztechnisch gesehen durchaus sinnvoll, denn in der Tat gibt es große Schwierigkeiten, drei „nationwide“ Frequenzketten einzurichten. Aber es komme jetzt doch keiner und führe Sachargumente ins Feld. Denn die Durchsetzung des Fernseh-Kulturkanals hat eines gezeigt: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Jetzt rächt sich, daß die Strategen der Staatskanzleien, die den Beschluß zum nationalen Hörfunk formulierten, die höchst unterschiedliche Standpunkte in einem Formelkompromiß zu integrieren suchten. Von einem Konzept, geschweige denn von einem Organisationsmodell, konnte nicht die Rede sein. Der erste Eindruck trügt: Die Konfliktlinie liegt nicht zwischen den Parteien, sondern zwischen den Landesfürsten und ihren, zugegebenermaßen berechtigten Interessen an Einfluß und Arbeitsplätzen.

Sollten sich aber diejenigen durchsetzen, die für zwei Programme votieren, dann ist eines klar: Nicht die beiden Westsender DLF und RIAS müssen Abstriche machen, es trifft den Kultursender aus dem Ostteil Deutschlands. Diente der Erhalt dieses Hörfunkprogramms bei der medienpolitischen Neuordnung bislang als Indiz dafür, daß Qualität sich durchsetzt, daß zumindest ein Ost- Programm gerettet wird, so kann das getrost vergessen werden. Das medienpolitische Resümee am Ende des Jahres wird sich dann so lesen: Der DFF existiert nicht mehr, Jugendradio DT 64, der Berliner Rundfunk und Radio Aktuell sind erfolgreich abgewickelt und der Deutschland-Sender Kultur ist vom RIAS geschluckt. Integration nennt man das. Karl-Heinz Stamm