Ehrenwerte Gesellschaft

■ Gesetzentwurf gegen "Organisierte Kriminalität": Hilft wenig und beschränkt Rechte

Ehrenwerte Gesellschaft Gesetzentwurf gegen „Organisierte Kriminalität“: Hilft wenig und beschränkt Rechte

Sieht man einmal vom Streit um sogenannte „milieubedingte Straftaten“ ab, sind sich CDU, CSU, SPD und FDP einig: Die Organisierte Kriminalität soll mit neuen Methoden bekämpft werden. Das neue, das bei einem genaueren Blick auf die Polizeigesetze der Länder gar nicht so neu ist, sind der verstärkte Einsatz verdeckter Ermittler, verschärfte Strafbestimmungen zum Verbot der Geldwäsche, Rasterfahndungen, wie sie aus dem Terrorismusbereich bekannt sind, und bessere technische Möglichkeiten zur Überwachung konspirativer Verbrecherzirkel. Ein Blick über den Atlantik könnte den beamteten und parlamentarischen Polizeiexperten aber die äußerst begrenzte Wirksamkeit ihrer angeblich neuen Wunderwaffen zeigen: In den USA und anderswo sind die jetzt geplanten Maßnahmen seit Jahren Bestandteil der Strafverfolgung. Ein durchschlagender Erfolg im Kampf gegen mafiose Strukturen läßt sich dabei allerdings nicht beobachten.

Die „Waffengleichheit“, die unter anderem auch der Präsident des Bundeskriminalamtes, Hans-Ludwig Zachert, für seine Behörde gegenüber der Organisierten Kriminalität eingeklagt, wird aber selbst in seinem Hause in Frage gestellt. Analysen des BKA gehen immerhin davon aus, daß die Konspiration bei illegal eingefädelten Geschäften in dem Maße zunimmt, in dem die Strafverfolger selbst zu konspirativ-verdeckten Gegenmitteln greifen. Unterschlagen wird in der Debatte weiter, daß das in den USA und Italien konstituierende Moment der Organisierten Kriminalität — die Verflechtung mafioser Strukturen mit der politischen Entscheidungsfindung und der exekutiven Umsetzungen — in der Bundesrepublik mit wenigen Ausnahmen bisher nicht nachzuweisen ist. Auch der Verweis des Bundesjustizministers, wonach allein schon die Rekordmarke von 1.340 Drogentoten in diesem Jahr die Notwendigkeit drastischer Gesetzesverschärfungen belege, führt in die Irre. Notwendig wäre ein grundsätzliches Überdenken einer Drogenpolitik, die die Drogenkranken durch eine rigorose Kriminalisierung in die Illegalität und damit in den frühzeitigen Tod treibt.

Das Schlagwort Organisierte Kriminalität kommt zunehmend dann zu neuen Ehren, wenn Polizeibefugnisse generell ausgeweitet und bürgerliche Freiheitsrechte beschnitten werden sollen. Das Gespenst der Mafia hat in den letzten Jahren das in die Jahre gekommene Gespenst des Terrorismus abgelöst.

Bemerkenswerterweise greift der neue Gesetzentwurf auf ein Mittel zurück, das bereits in der Terroristenfahndung versagte — die Rasterfahndung. In den letzten Jahren mangels sinnvoller Rasterkriterien kaum je angewandt, soll sie nun plötzlich helfen, der „ehrenwerten Gesellschaft“ das Fürchten zu lehren. Wahrscheinlich zahlt auch der Mafia-Boß seine Stromrechnung bar und anonym bei den Sparkassen ein. Wolfgang Gast