Jugoslawiens Armee: Wer befiehlt wem?

Die Generäle bilden einen „Kommandostab“ und suchen „zivilen Retter“/ Noch teilen die Generäle die Ziele der serbischen Regierung Milosevic, die den „Sozialismus erneuern“ will/ Verfassungsorgane haben jeden Einfluß verloren  ■ Von Roland Hofwiler

Eigentlich ist der einzige Vorgesetzte von Verteidigungsminister General Kadijevic, dem Oberkommandierenden der jugoslawischen Volksarmee, Staatspräsident Stipe Mesic. Doch die militärische Befehlsgewalt liegt längst bei einem Putschkomitee, das sich selbst kurz und bündig „Kommandostab“ nennt. Und so lacht nicht nur Kadijevic selbst, sondern auch die anderen Generäle über den verzweifelten Versuch des Premier Ante Markovic, den Verteidigungsminister aus seinem Kabinett zu entlassen. Wie denn? Einzelakteur Markovic hat ja seit einem halben Jahr nicht einmal eine einzige Parlamentssitzung auf die Beine gebracht. Und so baut der „Kommandostab“ im Stillen an einer Militärregierung. Das meinen zumindest jugoslawische Zeitungen. Als gesichert gilt: 16 Generäle betrachten sich als die „letzten Retter“ des zusammenbrechenden Vielvölkerstaates. Chef des „Kommandos“ ist General Blagoje Adzic, sein Stellvertreter Veljko Kadijevic. Auch die anderen Militärs sind keine Unbekannten. Darunter befindet sich Stevan Mirkovic, der öffentlich den versuchten Staatsstreich in der Sowjetunion begrüßte und nun die radikalen Umwälzungen mißbilligt. Zivota Avramovic wurde ohne Regierungsbeschluß eigenmächtig Oberkommandierender des fünften jugoslawischen Militärbezirks, zu dem ganz Slowenien und die Gegend um Zagreb gehört. Jahrelang leitete Avramovic das Kommando über die albanisch besiedelte Kosovo-Provinz, vor Slowenien und Kroatien der nationale Krisenherd Jugoslawiens. Mit Marko Negovanovic, Chef der geheimdienstlichen Spionageabwehr KOS, sitzt ein weiterer Hardliner im „Kommando“. Zuletzt wäre Branko Mamula zu nennen, bis 1988 Verteidigungsminister. Von ihm weiß man, daß er mit dem Gedanken spielte, die einst experimentierfreudige reformkommunistische Regierung Sloweniens durch einen „lokalen Putsch“ abzusetzen. All diese Greise, keiner ist jünger als 60, sagt der Volksmund zwar nach, daß sie Serben seien, doch in der jugoslawischen Armee- Enzyklopädie geben sie sich mehrheitlich als „Jugoslawen“ aus. Ein nationales Bekenntnis, das bei der Volkszählung 1981 nur etwa zwei Millionen Bürger des Balkanstaates angaben. Derzeit — doch das kann sich bald änderen — teilen die Generäle die Ziele der serbischen Regierung Milosevic. Denn diese hat noch immer die „Erneuerung des Sozialismus“ auf ihre Fahnen geschrieben. Obwohl Milosevics Thron zur Zeit nicht wackelt, vertraut ihm die Generalität aber nicht völlig. Sie hält ihn zwar für einen fähigen serbischen Politiker, glaubt aber nicht, daß er in der Lage ist, Jugoslawien zu erneuern. In dieser Frage setzte der „Kommandostab“ mehr auf den Regierungschef Markovic, der noch Anfang 1990 mit seiner Wirtschaftsradikalkur ein populärer Poltiker war, gleichzeitig aber an einem jugoslawischen Staat festhielt. Markovics Wirtschaftserfolge konnten jedoch seine politischen Mißerfolge nicht mehr wett machen. Den entfesselten Nationalismus bekam er nicht in den Griff.

So sucht die Armee noch immer nach einem „zivilen Retter“. Der „Kommandostab“ gibt in seinen Erklärungen offen zu, man wolle nicht als Militärjunta die Macht an sich reißen. Aber man schränkt auch ein: Sollten die Politiker mit jugoslawischer Ausrichtung politisch keinen Erfolg haben, müsse man zum äußersten greifen.