Unionsentwurf bleibt umstritten

■ Abtreibungsrecht: Süssmuth pocht auf Eigenverantwortung der Frau/ „LebensschützerInnen“ bringen eigenen Entwurf ein/ Münchner Erzbischof gibt Schützenhilfe/ Harsche Kritik von SPD und FDP

Berlin (taz) — Die Fraktionsmoral sorgte schließlich doch für eine satte Mehrheit für den Kompromißvorschlag zur Neuregelung des Abtreibungsrechts. Nach vierstündiger Sitzung wurde am Donnerstag abend der sogenannte Kommissiosentwurf mit 34 Gegenstimmen und 18 Enthaltungen von der CDU/CSU-Fraktion angenommen. Doch sind mit dieser Entscheidung die inneren Widersprüche der Union längst nicht aus dem Welt geräumt. So wird es in den Beratungen im Bundestag vermutlich noch zu heftigen Auseinandersetzungen über den Entwurf kommen, der eine Indikationenregelung mit sozial flankierenden Maßnahmen vorsieht. So hält die Gruppe um den Ulmer Abgeordneten Werner daran fest, einen eigenen Entwurf einzubringen, der eine radikale Verschärfung des bestehenden Paragraph 218 darstellt und Abtreibungen nur bei Gefahr für das Leben der Frau erlaubt. Schützenhilfe erhielten die „LebensschützerInnen“ jetzt vom Münchner Erzbischof Friedrich Wetter, der Abtreibungen mit dem Schießbefehl an der Mauer verglich.

Aber auch die liberale Strömung gibt sich noch nicht geschlagen. So übte gestern erneut der CDU-Abgeordnete Horst Eylmann, der für eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts im Sinne einer Fristenregelung eintritt, Kritik an dem verabschiedeten Indikationenmodell. Nicht der Arzt könne über die psychosoziale Notlage einer Frau entscheiden, sondern nur die Frau selbst.

Auch Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) äußerte gestern Vorbehalte gegenüber dem Kommissionsentwurf. Es müsse aus dem Gesetzentwurf ganz klar hervorgehen, daß nicht der Arzt über die Frau entscheiden könne, sondern daß es um die eigenverantwortliche Gewissensentscheidung der Frau gehe. Zum zweiten müsse klar sein, daß eine gerichtliche Überprüfung der Notlagenindikation nicht vorgenommen werde. In dem Unionsentwurf sind Abtreibungen grundsätzlich strafbar. Ausnahmen bilden die medizinische und psychosoziale Indikation. In letztere sind die eugenische und kriminologische enthalten. Ärztin oder Arzt müssen sich nach der Darlegung der Frau vergewissern, daß eine psychosoziale Notlage vorliegt und ihre „ärztliche Beurteilung schriftlich festhalten“.

Harsche Kritik rief der Unionsentwurf bei SPD und FDP hervor. Die frauenpolitische Sprecherin der Liberalen bezeichnete den Entwurf als „rückschrittlich“. Zudem warf die FDP-Politikerin der Union vor, mit dem Sozialpaket der Koalitionsvereinbarungen gebrochen zu haben. Sie sei bestürzt, daß die CDU/CSU-Fraktion die vereinbarten Sozialleistungen soweit „abgespeckt“ habe. Auch der Vorsitzende der Jungen Union, Hermann Gröhe, attackierte das Sozialpaket als unzureichend. So wurde der vorgesehene Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz auf 1997 verschoben. Auch Verhütungsmittel auf Krankenschein soll es nach dem Unionsentwurf nicht geben. Neu eingeführt wurde das sogenannte Familiengeld in Höhe von 1.000 DM pro Baby. Die Bundestagsvizepräsidentin Renate Schmidt (SPD) erklärte: „Diese Geburtenprämie wird keinen Schwangerschaftsabbruch verhindern.“ Helga Lukoschat