: Stoibers Schauergemälde
■ Der bayerische Innenminister: Verdeckte Ermittler müssen Straftaten begehen können/ Bundesregierung lehnt dies kategorisch ab/ Am Under-cover-Agenten halten alle Altparteien fest
Berlin (taz) — Bayerns Innenminister Edmund Stoiber (CSU) kann's nicht lassen: anläßlich der ersten Lesung des Gesetzentwurfes zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität forderte der CSU-Mann gestern erneut, daß verdeckte Ermittler der Polizei künftig auch „milieubedingte und unumgängliche“ Straftaten begehen dürfen. Der Streit um die Befugnisse der Under-cover- Agenten ist indessen nicht neu. Nach langen und zähen Debatten haben schließlich auch die Befürworter des Gesetzentwurfes, der über eine Bundesratsinitiative auf den parlamentarischen Weg gebracht wurde, die geforderte Straffreiheit ebenso fallen gelassen wie auch die von Bayern und Baden-Württemberg eingeklagte Möglichkeit, in den Wohnungen des organisierten Verbrechens Verdächtigter elektronische Wanzen installieren zu dürfen. Insbesondere auf Druck der FDP hatte sich bei der Vorlage des Regierungsentwurfes die Meinung durchgesetzt, daß das Legalitätsprinzip nicht ausgehebelt werden dürfe. Demnach müssen Polizisten bei Bekanntwerden einer Straftat umgehend die Strafverfolgungsbehörden einschalten.
Was Liberale und Oppositionsparteien zur Wahrung des Rechtsstaates als unabdingbar erklären, münzte der bayerische Minister gestern zur Gefahr für die eingesetzen Polizeibeamten um. Werde der Gesetzentwurf in der vorgelegten Fassung verabschiedet, fürchtet Stoiber, würden die verdeckten Ermittler in erhebliche Gefahren geraten — denn in Erfüllung ihres Auftrages könnten sie der Planung und Durchführung von Straftaten kaum entgehen. Folgt man den Vorstellungen des CSU-Ministers, müssen sich die Top-Agenten der Polizei daher auch am illegalen Glücksspiel beteiligen dürfen [Grieneisen sahnt mit ab. d.K.]. Abweichend vom Regierungsentwurf trug Stoiber weiter die bayerische Forderung vor, mit nachrichtendienstlichen Mitteln gegen illegale Syndikate vorzugehen.
Stoibers Vorschläge stoßen auf massive Vorbehalte auch im Bundesjustizministerium. Kurz und bündig erklärte Ressortleiter Klaus Kinkel (FDP) gestern zum Thema milieubedingte Straftaten: „Dies bedarf keiner langen Erörterung.“ Wie beim Einsatz elektronischer Lauschgeräte in Privatwohnungen hält die Regierung diese für „unzulässig“. Beifall dafür erntete Kinkel auch von den Oppositionsbänken. In Richtung Stoiber warnte der SPD-Abgeordnete Hans de With, bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität „Schauergemälde zu produzieren“.
Konsens herrscht unter den Altparteien hingegen in der Auffassung, daß verdeckte Ermittlungen, Rasterfahndungen, technische Überwachungsmöglichkeiten und verschärfte Gesetze zum Verbot der Geldwäsche unabdingbar zum Inventar der Verbrechensbekämpfung gehören. Wolfgang Gast
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