Puppodrom

■ Premiere bei Marionettens: „Varieté van Holz“ im Theatrium

Erst ist es maximal Nacht auf der Mini-Bühne, dann blinzeln himmelszeltige Pünktchen vom hinteren Vorhang — und dann kommt ins Glanzlicht einer dahergeschlenkert, der hat am seidenen Faden eine silberne Hantel und fuchtelt damit, als wenn sie aus Gummi wär'. Ist sie auch, ist sie auch! Und der da schlenkert in seiner klitzekleinen Boxershorts, ist der „sibirische Bär“ und einer aus Holz. Wo sind wir hingeraten?

Wir sind hereinspaziert, hereinspaziert ins Theatrium, die Marionettenbühne von Detlef Heinichen, ein Bär von einem Puppenspieler mit Talent zur großen Rührung. Mit seinem neuen Kompagnon Marcel Wagner hat er nun eine „astreine Revue“ für sogenannte Erwachsene auf die Bretterchen gestellt: das „Varieté van Holz“. Groß und schwarz ziehen die beiden an den Fäden von kleinen Bunten, und wir glucksen zuerst vereinzelt und dann alle zusammen. Schließlich sind wir im Varieté, da darf man sich gehenlassen.

Aber Ruhe jetzt, Miß Baumismäkki betritt die Szene, die finnische Seiltanzkünstlerin mit Miß Piggy-Einschlag. Eine robustere Tänzerin sah man selten: zischt da auf dem tiefen Seilchen, als wär's nicht schwer, hin und her, fliegt auch ein bißchen Freistil — und winkt uns zierlich und wir jubeln brav. Aber da kommen noch ganz andere: die Entblätterungskünstlerin, die mit Beinen und Brüsten um sich wirft, bis nichts mehr übrigbleibt. Oder die Bauchtänzerin, die ihren Bauch enthemmt von links nach rechts wirft, daß die Bauchkettchen schmetterklimpern. Nicht zu vergessen Elvis und sein schwenkendes Pelvis, oder der swingeling „Bluesholzraspler“ Sunny Sight mit den Stehauf-Frackschößen und den fliegenden Fingern und steppen kann er auch, so daß zwei Puppenspieler Hand an ihn legen müssen. Gottja, da waren ja auch noch diese zersägbare Hasendame und Karl Valentin mit seinem Schubladengesicht, das kann singen und am Kinn aufklappen zum Klapperlachen.

Es ist — mit wenigen Ausnahmen - ein freundliches Glitzern um die kleinen Kerls und die schmachtenden Damen aus der Holz- und Halbwelt. Und prompt weht er uns wieder an: der alte Traum von der beseelten Puppe, die sich nicht nur dreht, weil wir so wollen. Jedoch: sie sind wirklich bloß willenlose Werkzeuge, deren Augen erst dann leuchten, wenn ihnen Heinichen und Wagner die Augenlider hochziehen. Aber dann wie! Claudia Kohlhase

Nächste Aufführungen: 25./26.9., 20h