»Für mein Alter ist Streß noch eine Herausforderung«

■ Beim 22. Internationalen TSC-Turnier der Amateur-Faustkämpfer wurde der Berliner Sven Ottke als »bester Boxer« ausgezeichnet

Lichtenberg. Als Sven Ottke 1985 zum ersten Mal bundesdeutscher Meister im Amateurboxen wurde, urteilte der damalige Sportwart des DABV Heinz Birkle über ihn: »Der ist zu klein, um international im Mittelgewicht mitreden zu können.« Der 1,75 Meter große Berliner widerlegte diese vernichtende These in den letzten Jahren mehrmals schlagkräftig. Vier Wochen vor den Amateur-Weltmeisterschaften im australischen Sydney gibt es in der bundesdeutschen Staffel nur drei sichere Kandidaten: Schwergewichtler Bert Teuchert aus Freiburg, den noch schwereren Superschwergewichtler Andreas Schnieders (Ahlen) — und eben Sven Ottke.

Auch beim 22. Internationalen TSC-Turnier boxte der Europameister von Göteborg so überzeugend gut, daß ihm die Veranstalter auch noch den Titel des »besten Boxers« zukommen ließen. Es gab in der Werner-Seelenbinder-Halle wohl nur einen, der an Ottkes Klasse zweifelte — und das war sein Finalgegner Torsten Schmitz aus Schwerin. »Ich glaube wirklich, daß ich vorne lag«, moserte der Vize-Weltmeister von 1989 mit dem Urteil der Punktrichter, »vor einem Jahr war ich viel unsicherer, und da habe ich gewonnen.« Torsten Schmitz sprach vom Pech, daß die Schweriner Faustkämpfer in den Finals am Sonnabend heimsuchte. Zu fünft kletterten sie in den Ring, den nur zwei von ihnen als Turniersieger wieder verließen. Schmitz ließ sich auch nicht davon trösten, daß er einer der beiden Teilnehmer des »besten Turnierkampfes« (Auswahltrainer Günther Debert) war.

»Dieses Duell war eine Werbung für den Boxsport«, lobte Debert seine boxenden Schüler. Einige Zuschauer waren jedoch enttäuscht und verabschiedeten die Kämpfer mit Pfiffen. »Was wollen die eigentlich noch sehen«, fragte sich Sven Ottke ernsthaft besorgt, »solche Fights erlebt man nun wirklich nicht alle Tage im Ring.« Der 24jährige Ottke ließ das Rätseln, war mit dem 24:13-Punktsieg über Torsten Schmitz zufrieden und blickt nach vorn.

Bisher hält Berlins bester Amateurboxer allen Angeboten aus dem Profilager stand. »Da ist mir die Durststrecke zu lang. Wer garantiert mir, daß ich Welt- oder Europameister werde?« fragte er in einem Zeitungsinterview. Einen Garantieschein hat Sven Ottke für die Weltmeisterschaften im bei den Amateuren auch nicht. Aber im November in Sydney will der Mannschaftskapitän der BRD-Staffel sportlich vornweg marschieren. Engagiert feuerte schon in Berlin Nationalmannschafts- Kollegen wie den »superschweren« Andreas Schnieders an: »Ruh' dich nicht aus, Langer«, trieb er Schnieders zum Turniersieg über den unbequemen Andrej Aulow.

»Das ist zwar noch ein A-Turnier, aber die sportliche Spitze konnte der TSC nicht immer verpflichten«, relativiert der EM-Zweite Schnieders seinen ersten Turniersieg seit den kontinentalen Meisterschaften. Das Fehlen einer kompletten Staffel kubanischer Box- Stars und der Untergang des osteuropäischen Boxsports ließen auch das Interesse der Berliner für das Traditionsturnier sinken. Kurz vor den nationalen und internationalen Meisterschaften der Saison konnte das TSC-Turnier deshalb nur ein Lückenfüller sein. bossi

Sieger des 22. TSC-Turniers: Halbfliegen: Petrow (Bulgarien), Fliegen: Kovacs (Ungarn), Bantam: Todorow (Bulgarien), Feder: Suarez (Kuba), Mittel: Ottke (Berlin), Leicht: Tontschew (Bulgarien), Halbwelter: Urkal (Türkei), Welter: Otto (Ahlen), Halbmittel: Schmidt (Schwerin), Halbschwer: May (Frankfurt/Oder), Schwer: Monse (Berlin), Superschwer: Schnieders (Ahlen).