: Ausflug in eine saubere und gediegene Welt
■ Champions Trophy im Hockey-Olympiastadion: Während die deutschen Frauen den Australierinnen den Sieg überlassen mußten, gewann das deutsche Männerteam das Turnier der sechs weltbesten Hockey-Nationen durch ein 2:0 gegen Australien
Charlottenburg. Der Gegensatz könnte kaum größer sein. Direkt vor dem riesigen Olympiastadion, wo sich am Wochenende meist das etwas derbere Volk einem Freizeitvergnügen namens Fußball hingibt, trafen sich in dieser Woche Menschen zu einem Zeitvertreib der vollkommen anderen Art.
Ort des Geschehens war das kleine Olympiastadion, welches dem Austragen des exklusiven Spiels Hockey bestimmt ist, das hier in der vergangenen Woche recht ausführlich zelebriert wurde.
Von der U-Bahn zum olympischen Platz hinauf ist alles noch ganz normal. Sogar die heißgeliebten Wurstbuden sind an ihren Plätzen, allerlei unauffälliges Volk steht dort brav an, nur ungewöhnlich mehr Familien als sonst. Der Einlaß in das Hockeystadion wird nun zum Eintritt in eine ganz andere Welt. In eine gediegene, frische, saubere, ordentliche Welt. Vorbei an einer grazilen Konstruktion aus Holzklötzchen, grauem Stahlrohr und weißer Zeltplane, die sich Haupttribüne nennt, und auf welcher die hochverehrten Gäste mit ihren teuer bedeckten Hinterteilen die angeschraubten marineblauen Sitzschalen auffüllen, erstreckt sich eine in luftigem Weiß gehaltene Zeltstadt zwecks kurzweiliger Lustwandelei in den Wettkampfpausen.
Die auch bitter nötig war. Schließlich war trotz Freizeit niemand zum Vergnügen gekommen, galt es doch, den besten Hockeyspielerinnen und -spieler des Globus andächtig bei ihren Verrichtungen zu folgen, einem Sport, der dem zugegeben unkundigen Betrachter wie ein erstaunliches Rätsel erscheint. Warum nur, warum darf der Ball nur mit einer Seite dieses so seltsam gekrümmten Holzstockes gespielt werden? Ganz abgesehen davon, daß die SportlerInnen die meiste Zeit dieses Spieles in einer Haltung herumlaufen, als wollten sie in rekordverdächtiger Zeit einen Handrasenmäher vor sich her schieben.
Nun gut, aber das paßte auch schon irgendwie zu der schönen Sonntagsstimmung, dem ruhig gemäßigten Ambiente, dem Kunsthaften in jeder Beziehung. Was schon beim Spielplatz beginnt. Der Ball wird längst nicht mehr über ordinär gewachsenes Grün getrieben, der Rasen ist aus Plastik, immer ein wenig unter Wasser gehalten, damit ein Sturz nicht allzu sehr schmerzt.
Ebenso fortschrittlich: die anwesende Gesellschaft. Kein angetrunkener und primitiv gröhlender Mob stört die FlaneurInnen bei der hochinteressierten Begutachtung dessen, was an den Verkaufszelten feilgeboten wird. Nicht nur Schläger, Bälle, Schienbeinschützer, auch schicke Dresses, Shorts, beziehungsweise die lustigen Faltenröckchen für die Damen, können in ihrer exklusiven Vielfalt begutachtet und anschließend käuflich erworben werden.
Solch schwierige Situationen werden zum Glück unterbrochen durch einen kleinen Imbiß mit dem notwendigen Gläschen Sekt, vermengt mit Lachs, Krabben oder französischem Baguette. Und so ganz nebenbei dürfen natürlich auch die Sponsoren des Turnieres Automobile, anspruchsvolle Radiosendungen, den Plastikrasen oder eine schicke Mode dem interessierten Gast näherbringen.
Nicht zu vergessen die Olympia GmbH, die sich mit ihren gelben Werbemappen und Ansteckern wie überall breitmachte.
Die einzigen, die diesen Spuk aufs richtige Maß stutzten, waren die mitgebrachten Kinder und der Platzwart. Erstere kümmerten sich nicht um Anstand und fielen in jeder Spielpause wie ausgehungerte Heuschrecken auf dem Platz ein, um wie wild Bälle durch die Gegend zu dreschen oder hitzig um selbige zu raufen. Dem wollte wohl ein gewissenhafter Mensch der Platzpflege Einhalt gebieten und schaltete nach jedem Spiel die Bewässerung ein. Mit dem überragenden Erfolg, daß sich die Kids noch mehr amüsierten, und die ehrenwerten Gäste auf den ersten Tribünenreihen in klassischer Wasserwerfermanier ordentlich durchnäßt wurden. Schmiernik
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