Der Iran-Contra-Skandal ist Geschichte

Die US-amerikanische Version eines Samuel-Beckett-Dramas fällt der TV-Fernbedienungsgesellschaft zum Opfer  ■ Aus Washington Rolf Paasch

Mit dem Sieg im Golfkrieg haben die USA in George Bushs burschikosen Worten „das Vietnam-Syndrom endlich in den Arsch getreten“. Mit der — voraussichtlichen — Ernennung von Robert Gates zum neuen CIA-Chef wird nun vor dem Iran-Contra-Skandal der Vorhang zugezogen. Damit droht dem amerikanischen Polittheater das Ende aller Syndrome. Statt der Katharsis wartet nur noch die totale Amnesie.

Obwohl Gates damals als CIA-Vize von der Verwicklung seiner „Agency“ in Iran-Contra Affäre wußte und den Kongreß darüber belogen hatte, schlug Präsident Bush ausgerechnet ihn für das Amt des Superspions vor. Während in der Sowjetunion Lenin vom Sockel gestoßen wird, werden in den USA mit Gates nun jene Figuren aufs Podium gehoben, die bis zuletzt noch die Fürchterlichkeit statt die Lächerlichkeit der kommunistischen Lehre predigten; die mit den Dollarmilliarden eines aufgeblähten Rüstungsetats im eigenen Hinterhof noch überflüssige Kriege gegen einen Feind vom Zaune brachen, der längst stehend k.o. war.

Solche Männer, die das Land längst nicht mehr braucht, sollen jetzt den nationalen Sicherheitsapparat reformieren. Nach einer Woche der Anhörung durch die zahmen Senatoren des Geheimdienstausschusses ist Gates' Bestätigung als CIA- Chef heute so gut wie sicher.

Eine Woche lang hatte es noch einmal ein „Re- Run“ der Affäre gegeben: Eugene Hasenfus, der über Nicaragua abgestürzte CIA-Pilot, von den Sandinisten abgeführt; Ollie North, der gesetzlose, dafür aber patriotische Oberstleutnant aus dem Nationalen Sicherheitsrat des Weißen Hauses; Fawn Hall, seine hübsche Sekretärin mit dem unersättlichen Fleischwolf für alles Inkriminierende — und schließlich Ronald Reagan, der Mann ohne Gedächnis. Bilder die hierzulande jeder kennt.

Doch an die Handlung erinnern sich nur noch die Experten: Ein Präsident läßt 1985 an die Erzfeinde und Geiselnehmer im Iran zu überhöhten Preisen Waffen verkaufen und schickt die Profite an die nicaraguanischen Freiheitskämpfer. Macht summa summarum drei Verstöße gegen die eigene Politik und ein Gesetz des Kongresses. Doch wen juckte das schon.

Nach Ollies triumphalem Auftritt vor dem desinteressierten Untersuchungsausschuß des Kongresses war das Publikum bald von der Vielzahl der Charaktere und Handlungsstränge verwirrt. Watergate war eine große Skakespeare- Tragödie, in der die Mächtigen zu Fall gebracht wurden. „Iran-Contra dagegen“, so ein Beobachter damals, „war wie ein Samuel-Beckett- Stück: alle irren sie über die Bühne, aber keiner weiß, was er davon halten soll“.

Damit ist es nun vorbei. Der Präsident hat mit Robert Gates seinen Willen, der Kongreß seine Ruhe. Fünf Jahre Regieren mit gelegentlich noch rattelnden Skeletten im Keller, sind vorüber. Keiner wird mehr fragen, wo denn Ronald Reagan und seine Vize George Bush damals waren, als die kriminelle Vereinigung um Ollie North aus dem Weißen Haus in Mittelamerika auf Kommunistenhatz ging. Keiner wird den Kongreß mehr an seine peinlichen Hearings von 1987 erinnern, als sich die Demokraten nicht trauten, den populären Präsidenten und seine Unterlinge des Verfassungsbruchs zu überführen.

Iran-Contra war nie ein populärer Skandal. Das Böse war zu abstrakt, weil nur ein Verstoß gegen die Verfassung. Und wo kämen wir denn hin, wenn sich sogar die Spione an die Gesetze halten müßten. „Es ist unvorstellbar“, so hatte der Ex-CIA-Chef (Paranoiker) James Angleton einmal erklärt, „daß der geheime Arm der Regierung allen Befehlen der Regierung folgt“. Da schaute Robert Gates bei Iran-Contra lieber gar nicht erst hin, als seine Agenten das verfassungsmäßige Skript verließen und munter drauflos improvisierten.

„Unsere eigentliche Pflicht ist es, den Geist Amerikas zu besetzen“, sagt Hugh „Die Hure“ Montague, der Held und Spion in Norman Mailers neuem Roman über die CIA. Dies wird umso einfacher, je häufiger dieses Land seinen politischen Verstand mit der Fernbedienung für „MTV“ und „Miami Vice“ abzuschalten scheint.

Deswegen können wir beruhigt des nächsten Skandals harren. Der wird in dieser pluralistischen Farce gleich zu Beginn erstickt werden. Die politische Klasse hat einfach keine Nerven mehr für riskante Aufführungen — und die gelangweilte Bevölkerung hatte das Polittheater eh längst verlassen.