Die PLO berät über ihre Zukunft

Tagung des palästinensischen Exilparlaments in Algier/ Kontroverse um Nahost-Friedenskonferenz  ■ Aus Kairo Khalil Abied

Der Führung der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO stehen schwere Zeiten bevor, vielleicht die schwersten seit ihrer Gründung. Auf der 20. Sitzung des Nationalrates, dem palästinensischen Exilparlament, die heute in Algier beginnt, muß die Führung der PLO sich bemühen, eine Politik durchzusetzen, mit der alle Fraktionen von „rechts“ bis „links“ leben können. Nur so kann die PLO-Führung ihre Rolle als zentrale Kraft in der Region und als glaubwürdige Vertreterin aller Palästinenser unter Beweis stellen.

Drei Hauptthemen stehen auf der Tagesordnung: die Haltung der PLO zu der geplanten Friedenskonferenz, die Aktivierung der Intifada in den von Israel besetzten Gebieten, und die Situation der Palätinenser in der Diaspora. Besonders zum ersten Thema werden harte Auseinandersetzungen erwartet.

Der „gemäßigte“ Flügel um PLO- Führer Yassir Arafat, den Chef der Informationsabteilung, Yassir Abed Rabo, und dem Mitglied des Exekutivkomitees und Al-Fatah-Führer Mahmud Abbas, wollen ein Votum für die palästinensische Beteiligung an der Nahostkonferenz, unter der Voraussetzung, daß die USA folgende Garantien geben: Stopp der israelischen Siedlungspolitik, die Behandlung der Jerusalemfrage und die amerikanische Anerkennung des palästinensischen Rechts auf Selbstbestimmung. Dafür sind sie bereit, Zugeständnisse bei der palästinensischen Repräsentanz auf der Friedenskonferenz zu machen.

Doch diese Position wird von allen Seiten angegriffen, allen voran von Georges Habasch, dem Führer der radikalen Volksfront, der schon auf dem letzten Nationalrat die Friedensinitiative der PLO ablehnte. Innerhalb der Demokratischen Front ist der Flügel um Naif Hawatmeh ähnlicher Auffassung wie die Volksfront. Demgegenüber war Abed Rabo, der den anderen Flügel leitet, einer der Architekten der palästinensischen Friedensinitiative auf dem letzten Nationalrat. Die „Hardliner“ erhalten auch Unterstützung von einigen Teilen innerhalb Al-Fatahs, der größten Palästinenserorganisation unter Yassir Arafat.

Neben der radikalen Opposition gibt es auch führungskritische Stimmen im „gemäßigten“ Lager selber. In den letzten Wochen traten einige der „unabhängigen“, Al-Fatah-nahen Mitglieder des Nationalrates zurück, wie beispielsweise der Dichter Mahmud Darwisch, die Professoren Edward Said und Ibrahim Abu Lughod und der Millionär Abdel Mohsen Qatan. Letzterer, der einer der größten Millionäre in Kuwait war, protestierte mit seinem Schritt gegen die „pro-irakische“ Politik der PLO- Führung während des Golfkrieges. Said und Abu Lughud werfen der Führung mangelnde politische Flexibilität vor. Viele Unabhängige fordern, daß Vertreter der jüngeren Generation in die PLO-Führung vorrücken. Doch alle Kritiker sehen sich als Opposition innerhalb der Dachorganisation PLO, wenngleich Habasch und Hawatmeh drohten, den Nationalrat zu verlassen, wenn die PLO-Führung keine harte Position gegenüber den US-Bedingungen für den Friedensprozeß bezieht.

Versuche, die palästinensische Opposition außerhalb der PLO, vor allem die fundamentalistisch Hamas- Bewegung und die von Syrien unterstützte Rettungsfront zu einer Beteiligung am Nationalrat zu bewegen, scheiterten. Hamas forderte bei den Verhandlungen mit PLO-Repräsentanten vierzig Prozent aller Sitze im Nationalrat. Außerdem verlangte sie, daß die PLO ihre Friedensinitiative widerruft und die Errichtung eines palästinensischen Staates in ganz Palästina, also inklusive Israels, zum ihrem Ziel erkläre. Der Dialog mit der Rettungsfront scheiterte vor allem an deren Größenwahn: Die PLO-Abspaltung, die außerhalb Syriens so gut wie kein Gewicht hat, forderte einen Dialog zwischen zwei gleichgewichtigen Partnern.

Der gemäßigte Flügel der PLO wird vor allem von Führungspersönlichkeiten, Akademikern und Intellektuellen in den besetzten Gebieten unterstützt. Es ist zu erwarten, daß sich mit ihrer Unterstützung die Kontinuität der auf dem letzten Nationalrat beschlossenen Politik trotzdem am Ende durchsetzen wird.