Sprachregelungen um die EG-Währungsunion

Berlin (taz) — Geht es nach der offiziellen Lesart, ist das „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ vom Tisch. Die Finanzminister und Notenbankchefs der Europäischen Gemeinschaft, die sich am Wochenende informell in der niederländischen Stadt Apeldoorn trafen, wollen die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) jetzt gemeinsam ins Leben rufen. Und weil einerseits die wirtschaftlichen Unterschiede der Mitgliedsländer bis zum Ende des Jahrzehnts bleiben werden, andererseits aber die EG-Integration keinen Schaden nehmen soll, wurde eine neue Sprachregelung ausgegeben. Die „zweite Geschwindigkeit“ der ökonomisch schwächeren Länder (Italien, Irland, Griechenland, Portugal und Spanien) heißt künftig „Übergangs- und Ausnahmeregelung“.

Die Einführung der gemeinsamen Währung und deren Ausgabe durch die Euro-Zentralbank soll von allen beschlossen werden, aber nur für die Länder gelten, die sich stark genug für die Währungsunion fühlen. In der Diktion des EG-Kommissars Henning Christophersen lautet dies so: „Wir sprechen nicht mehr über ein Europa der zwei Geschwindigkeiten, sondern über ein Europa, an dem alle Mitgliedsstaaten teilnehmen können, einige aber vorübergehende Ausnahmeregelungen in Anspruch nehmen dürfen.“ Und Bundesfinanzminister Waigel meinte, bei der Diskussion um zwei Geschwindigkeiten oder Übergangsbedingungen handle es sich auch um ein „semantisches Problem“. Während „zwei Geschwindigkeiten“ sich „häßlich anhört“, werde mit dem Verweis auf eine Geschwindigkeit signalisiert, daß alle in der EG „dem gleichen Ziel“ zustreben.

Einstweilen vom Tisch ist auch die Kritik an der unstabilen Bonner Finanzpolitik. Waigel, der vor der deutschen Einheit drakonisch auf Preisstabilität und allseitige niedrige Staatsverschuldung gepocht hatte, lenkte etwas ein, indem er einräumte, daß die Meßlatte für eine gesunde Wirtschaft „nicht mechanisch“ angelegt werden dürfe. Entschärft ist der Konflikt damit nur kurzfristig; zumindest geht Waigel davon aus, daß die BRD bald wieder zu ihrer alten stabilitätspolitische Führungsrolle zurückgekehrt ist — und zwar in etwa fünf Jahren, also genau dann, wenn es mit der WWU ernst werden soll.

Ein Kompromiß, mit dem alle leben können, ist die Einführung eines Europäischen Währungsinstitutes, das keine geldpolitischen Kompetenzen haben wird. Es soll 1994 seine Arbeit aufnehmen. Ursprünglich hatten Italien und Frankreich gefordert, daß zu diesem Zeitpunkt schon die Europäische Zentralbank ins Leben gerufen wird, obwohl die Euro- Währung Ecu zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht hätte ausgegeben werden können. Den beiden Ländern war deshalb vorgeworfen worden, ihre Euro-Zentralbank sei nichts weiter als eine leere Hülle.

Bewegung, ohne daß deren Richtung deutlich erkennbar wurde, zeigte in Apeldoorn auch Großbritannien. Schatzkanzler Lamont, von den herannnahenden Unterhauswahlen unter Druck gesetzt, beteiligte sich mit einem eigenen Plan an der Diskussion um den Einstieg in die WWU. Anderrerseits kündigte er aber an, daß seine Regierung keinen Vertrag unterschreiben werde, der Ausnahmeregelungen zulasse.

Insgesamt wird jetzt davon ausgegangen, daß die Unterzeichnung der entsprechenden Verträge auf dem Gipfel von Maastricht zum Jahresende wahrscheinlicher geworden ist. Ein neuer Entwurf wird für Ende Oktober erwartet. diba