Bonn forciert Drogenpolizei

Im Haushaltsplan 1992 werden bereits Gelder für den Aufbau von „Europol“ bereitgestellt/ Europas Geheimkabinett für Sicherheit und Ordnung „TREVI“ beschließt „Europian Drug Intelligence Unit“  ■ Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) — Die Bundesregierung forciert den Aufbau einer Europäischen Polizei. Im Haushaltsentwurf für das Jahr 1992 hat sie dazu bereits eine Summe von 4,9 Millionen Mark ausgewiesen. Die Gelder sollen dazu dienen, den Sitz einer kommenden zentralen europäischen Polizeibehörde „Europol“ in die Bundesrepublik zu holen. Geht es nach dem Willen der Bonner Regierung, soll in einem ersten Schritt das Hauptquartier der „Europian Drug Intelligence Unit“ (EDIU), die gerade gegründet wird, in Wiesbaden aufgeschlagen werden.

Im Einzelplan 06, Kapitel 10 des Haushaltsentwurfes heißt es: „In Erfüllung des Auftrags des Europäischen Rates vom 25./26. Juni 1990 und der TREVI-Minister vom 14./15. Juni 1990 hat sich die TREVI-III-Unterarbeitsgruppe mit der Frage beschäftigt, wie die Rauschgiftbekämpfung auf europäischer Ebene intensiviert werden kann“. Hinter der Bezeichnung TREVI (Terrorism, Radicalism, Extremism, Violance International) verbirgt sich Europas Geheimkabinett für Sicherheit und Ordnung — eine überwiegend hinter verschlossenen Türen tagende Planungsinstanz der EG-Mitgliedsländer für verschiedene Aufgaben im Bereich der Inneren Sicherheit. Neben den bislang unterschiedlichen Konzepten zum genauen Arbeitsauftrag der Anti- Drogen-Abteilung EDIU, schreiben die Verfasser im Entwurf der Bundesregierung, gebe es derzeit drei Vorschläge für den Sitz der kommenden Behörde: Rom, die Interpol- Zentrale Lyon oder der Sitz des Bundeskriminalamtes Wiesbaden.

Um „eine Entscheidung zugunsten Wiesbadens zu ermöglichen“, soll von deutscher Seite aus angeboten werden, „zumindestens für eine erste Phase“ die Kosten des „Infrastrukturpersonals“ (darunter 16 Angestellte und 5 Verwaltungsbeamte) wie auch die Sachkosten für Miete, EDV-Ausstattung und sonstige Gerätschaften zu übernehmen. Die Aufwendungen für sieben BKA-Beamte, die zur EDIU entsendet werden, sind bereits im BKA-Haushaltsentwurf für 1992 und in der Finanzplanung bis 1995 aufgenommen worden.

Wenn im kommenden Dezember der Europäische Rat in Maastricht zusammentrifft, soll er auch ein von deutscher Seite entwickeltes Konzept zur Errichtung von „Europol“ und „geeignete Vorbereitungs- und Überbrückungsmaßnahmen“ verabschieden. Zielsetzung der Regierungskonferenz im Bereich der Bekämpfung des illegalen Drogenhandels und der Organisierten Kriminalität sollen „vertragliche Festlegungen auf die vollständige Einrichtung einer europäischen kriminalpolizeilichen Zentralstelle (Europol) spätestens bis zum 31. Dezember 1993“ sein. Ein von der Bundesregierung ebenfalls geplantes und 78 Millionen Mark teures „Automatisches Fingerabdruckidentifizierungssystem“ (AFIS) soll bis dahin beim BKA in Wiesbaden zur Bearbeitung der Fingerabdruckblätter von Asylantragstellern installiert sein — auf europäischer Ebene sollen „Europol“ dann konkrete „Handlungsbefugnisse auch innerhalb der Mitgliedsstaaten“ eingeräumt werden. Bis es soweit ist, so sieht es der Fahrplan vor, soll Europol die Funktion einer „Relaisstation für Informations- und Erfahrungsausstausch“ erhalten.

Nach einem Bericht des Bonner Innenministeriums vom letzten April wurde der deutsche Vorstoß für eine europäische Rauschgiftbekämpfungszentrale bereits bei einem informellen TREVI-Ministertreffen in Neapel und am 6./7. November bei einer TREVI-Ministerkonferenz „mit allgemein positiver Tendenz erörtert“. Der von der deutschen Seite eingebrachte Stufenplan wurde erstmals am 3. Dezember letzten Jahres in London diskutiert. Im Vordergrund dieses Treffens standen „die zunächst nichtoperativen Aufgaben dieser neu einzurichtenden Stelle“. „Für die deutsche Seite“, stellt der Bericht aus dem Schäuble-Ressort unmißverständlich klar, stellt diese Stelle aber nur „eine Vorstufe für eine europäische Polizeieinheit mit später auch exekutiven Befugnissen zur wirksamen Bekämpfung der international organisierten Rauschgiftkriminalität dar“.