Atommüll zwischendurch nach Greifswald

■ Im Westen geht nichts mehr, deshalb möchte Atomindustrie Greifswald erhalten/ PreussenElektra-Chef Krämer: Entsorgung vor Problemen/ Atommüll notfalls europäisieren

Berlin (taz) — Weil die Zukunft des 100.000 Jahre strahlenden Atommülls auch nach 25 Jahren deutscher Atomkraftnutzung noch in den Sternen steht, wollen die Atomindustriellen jetzt ein zusätzliches Zwischenlager für ihr strahlendes Erbe in Greifswald errichten. Hermann Krämer, der Vorstandsvorsitzende der PreussenElektra (PREAG), ließ am Wochenende in Schweden die Katze aus dem Sack. Spätestens 1996 müsse neben dem bereits existierenden Zwischenlager im niedersächsischen Gorleben ein zweites Lager betriebsbereit sein. Greifswald sei als Standort im Gespräch.

Wie in Gorleben sind, laut Krämer, zwei Betonhallen geplant, in denen sowohl hochradioaktive abgebrannte Brennstäbe als auch der schwachstrahlende Atommüll bis zur Endlagerung aufbewahrt werden sollen. Bislang existiert in Greifswald nur ein 1987 errichtetes „Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente“ (ZAB). Mit Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) und der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern sei über die Pläne gesprochen worden. Nicht gesprochen wurde dagegen mit den Menschen vor Ort. Rosemarie Poldrack von der BürgerInneninitiative Kernenergie Greifswald: „Das ist für mich das Allerneueste.“

Die Stromerzeuger stehen nach den Worten Krämers in den nächsten Jahren bei der Atommüllentsorgung vor erheblichen Problemen. Es sei nicht damit zu rechnen, daß das Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle im Schacht Konrad bei Salzgitter rechtzeitig fertig werde.

Ein weiterer Engpaß drohe, wenn Mitte der 90er Jahre aus Frankreich große Mengen hochradioaktiven Mülls aus der Wiederaufarbeitung deutscher Brennstäbe zurückgeschickt werden. Der in sogenannten Glaskokillen verpackte Abfall solle in Gorleben zwischengelagert werden. Zuvor müsse die Genehmigung in Gorleben aber entsprechend „umgewidmet“ werden, sagte Krämer. Nötig sei ein neues Zwischenlager auch, weil die Lagerkapazitäten für die abgebrannten strahlenden Brennelemente an den Reaktorstandorten nahezu ausgeschöpft seien. Das geplante Brennelemente-Lager in Ahaus (NRW) steht wegen Klagen beim Oberverwaltungsgericht Münster nicht bereit.

Anstelle von Greifswald seien zwar auch andere Standorte denkbar, sagte Krämer. Die Stromerzeuger würden Greifswald nach der Stillegung der dortigen Reaktoren aber gern erhalten. Die Entsorgung der Greifswalder Reaktoren soll in den kommenden 15 Jahren bis zu fünf Milliarden Mark kosten. Auch dabei werden große Mengen hochradioaktiven Atommülls anfallen. Möglich sei in Greifswald zudem der Bau eines Gaskraftwerks sowie immer noch eines neuen AKW. Zusammen mit der französischen EDF (Electricite de France) werde zur Zeit ein neuer Reaktortyp entwickelt, sagte der Chef des zweitgrößten deutschen Energieversorgungsunternehmens.

Für die Endlagerung schloß Krämer nicht aus, daß es ähnlich wie bei der Wiederaufarbeitung zu Transporten durch ganz Europa komme. Über den gerade erworbenen Anteil von zehn Prozent an dem schwedischen Energiekonzern Sydkraft (Malmö) hält PREAG indirekt auch zwei Prozent am schwedischen Endlager Forsmark. Dort werden seit 1988 in Granitgestein 50 Meter unter der Ostsee schwachradioaktive Abfälle eingelagert. Zwar laufe das Wasser an den Granitwänden herunter, es werde dann eben abgepumpt, so Krämer. Konkrete PREAG-Pläne für Forsmark gebe es nicht. ten