Waffengewalt

■ Blutwurstwalzer, ARD, So. 20.15 Uhr

Wer Günther Lamprecht, alias Kommissar Franz Markowitz leiden sehen wollte, hockte am Sonntag im richtigen Fernsehsessel. Dem Berlin-Columbo, der mit seinem amerikanischen Kollegen die Vorliebe für Trenchcoats teilt, macht nicht nur seine Gallenoperation schwer zu schaffen. Schlaflos wälzt er sich im Krankenhausbett, muß als Kartenhaus-Architekt versagen und medizinische Geräte oder seinen nach Luft und Leben ringenden Nachbarn den Ton angeben lassen. Markowitz ist kaltgestellt und dreht sich im Kreis des Blutwurstwalzers von Wolfgang Becker.

Doch auch am Ort der Heilung kann man die verbrecherische Welt nicht aussperren. Ein junger Bursche wird eingeliefert und wenig später ermordet vor dem Hospital aufgefunden. Schnell ist sein Bett wieder abgezogen und dem Vaterkomissar „kommt die Galle hoch“. Solange Markowitz auf Schonkost angewiesen ist, weiß er nichts und der Zuschauer alles.

Regisseur Becker, der schon mit seinem Leinwand-Debut — dem DFFB-Abschlußfilm Schmetterlinge Lorbeeren ernten konnte — wird zum Wiederholungstäter und führt uns auch diesmal ohne viele Worte in eine atmosphärisch dichte Bilderwelt der Gewalt. In der Milieu-Studie gibt's jede Menge derbe Worte, viele harte Drinks und vor allem Waffen, die anstelle des „Röhrenden Hirschen“ über dem Sofa drapiert sind. Der Protagonisten liebstes Tier ist der deutsche Schäferhund.

Die machtlosen Verlierer berauschen sich am Spiel von Herr und Knecht, das mit Waffengewalt und im Military-Look ausgetragen wird. Doch die Opfer dieser Gesellschaft sind auch Täter, Mörder. Da reicht ein Funke Eifersucht, der das (Kriegs-)Spiel bitteren Ernst werden läßt. Da der moralische Imperativ dieser Welt „Fressen oder gefressen werden“ lautet, trägt man Verluste mit Gleichmut. Blutbeflecktes kommt in die Waschmaschine, auch wenn die Schuld weder bei 60, noch bei 90 Grad wieder rausgeht.

Nur der als „schwach in der Birne“ geltende Alex (Jürgen Vogel) emanzipiert sich vom Untertan zum Mörder-Fahnder. Im T-Shirt mit dem programmatischen Aufdruck „I do it“ steckend, macht er sich auf, um den Tod seines einzigen Kumpels aufzuklären. Am Ende landet auch dieser gegen Windmühlenflügel kämpfende Anti-Held im Knast, ist schuldig, Mörder geworden. Des Rätsels Lösung gibt es nicht, sagt uns Becker.

Das die Tristesse überhaupt ansehbar wird, liegt an dem makabren Humor, der den Rhythmus des Blutwurstwalzers bestimmt. Selbst hier muß Ordnung sein. „Ein toter Kampffisch gehört nicht in den Aschenbecher“, empört sich Lizzi (Iris Disse).

Und was tut Markowitz? Er pflegt die Leidensmetapher und ist dennoch am rechten Platz zur rechten Zeit. Am Ende des Blutwurstwalzers ist die bürgerliche Ordnung nicht wieder hergestellt, auch wenn man Markowitz die Fäden zieht und er dazu das Gesicht verzieht. Sabine Jaspers