: Kein Hort ökologischer Heiliger
■ betr.: "Greenpeace: 'Kein Alpenverein'", taz vom 18.9.91
betr.: „Greenpeace: „Kein Alpenverein“, taz vom 18.9.91
Sicher ist Greenpeace keine basisdemokratische Einrichtung. Aktionen, wie die Umweltorganisation sie durchführt, erfordern „inner circles“, sonst wäre der Überraschungseffekt futsch. Trotzdem wäre es aus Gründen innerorganisatorischer Demokratie sinnvoll, neben dem „konspirativen“ Teil einen demokratisch legitimierten zu haben. Gute Ideen kommen in der Regel von unten!
Bei aller Kritik sollten wir uns allerdings auch fragen: Warum und von wem wird Greenpeace gerade jetzt attackiert? Den Angriff des CDUlers Grotz auf die Gemeinnützigkeit der Umweltorganisation kann da getrost vergessen werden. Hier scheint zuviel Wut über die „GummibootkämpferInnen durch. Die Atomindustrie ist natürlich auch stinkig, weil Greenpeace dem von Umweltankündigungsminister Töpfer eingestielten Nachrüstungsdeal für östliche AKW in die Parade fährt.
Viel subtiler dagegen der 'Spiegel‘. Der schreibt auf eine Engholm- Kanzlerschaft hin. Alles, was sich nicht hierfür funktionalisieren läßt, wird schlechtgeschrieben — wenn es sich nicht totschweigen oder anderswie marginalisieren läßt. Da dies schwierig ist, muß das vom 'Spiegel‘ schon gegen die Grünen erprobte Mittel des „Finanzskandals“ herhalten, diesmals als „Spendenskandal“ daherkommend. Der Umarmungstaktik des „Arbeitskreises ökologische Erneuerung“ der SPD hat sich Greenpeace als einzige der großen Umweltorganisationen immer wieder entzogen. BBU- und BUND-Positionen dagegen sind von denen der SPD kaum noch zu unterscheiden, insbesondere Wackelparteien in Sachen Müllverbrennung und Atomenergie.
Derartige Ignoranz soll nun bestraft werden. Als Regierungspartei kann die SPD keine rufschädigenden Eskapaden wildgewordener GummibootfahrerInnen gebrauchen. Der geschickte Versuch, mit der Benennung der früheren Greenpeace- Chefin Monika Griefahn zur niedersächsischen Umweltministerin die Organisation ruhigzustellen, kann als gescheitert angesehen werden: Greenpeace monierte kürzlich noch den nichtausgeschöpften Handlungsspielraum der Landesregierung beim Gorlebener Einlagerungsskandal.
Nun, Heilige sind die GreenpeacelerInnen sicher nicht. Mehr Transparenz und innerorganisatorische Demokratie wären gut. Wer sich aber in diesem Land als Heiliger versteht, werfe den ersten Stein, besonders wenn ein 'Spiegel‘ in der Nähe ist. Wolfgang Kühr,
Bundesarbeitsgemeinschaft
Energie der Grünen, Essen
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