Falsches Signal zur falschen Zeit

■ betr.: "Symbolischer Fußtritt", taz vom 18.9.91

betr.: „Symbolischer Fußtritt“, Kommentar von Vera Gaserow, taz vom 18.9.91

Dem Kommentar von Vera Gaserow zur innergrünen Debatte über Einwanderungspolitik kann ich mich voll anschließen — bei Medienkommentaren über grüne Interna eher eine Seltenheit.

Im Vorfeld der Entscheidung auf dem Länderrat wurde seitens der BefürworterInnen der Quotenregelung die Annahme ihrer Position medienöffentlich zur „Schlüsselfrage der Politikfähigkeit“ hochstilisiert. Doch der knappe Abstimmungserfolg derer, die künftig wenigstens gedanklich zwischen rechtmäßiger Quoteneinwanderung und illegaler Sozialimmigration zu unterscheiden wünschen — polizeilich brauchen sie ja diesen Unterschied nicht vertreten— und die dafür auf Biegen und Brechen die konstituierende Sitzung des neuen Grünen Führungsgremiums polarisierten, hat mit einem Fortschritt in Sachen Politikfähigkeit nichts zu tun.

Denn von der Sache her ist mit dem Quotenbeschluß niemand gedient: Weder denjenigen Grünen, die unter dem Druck der rassistischen Anti-Asyl-Hetze die bisherige Beschlußlage der „offenen Grenzen“ nicht mehr vertreten mögen und die eigentlich eine Beschränkung der Asyl-Zuwanderung meinen, wenn sie „Einwanderungsquote“ sagen, noch weniger denen, die sich der reaktionären Daueroffensive gegen das Asylrecht entgegenstemmen wollen und zu recht kritisieren, daß der Quotenbeschluß ein falsches Signal zur falschen Zeit ist.

„Politikfähigkeit“ in der Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik ist vor allem gefragt bezüglich der Aufgabe, gesellschaftliche und politische Kräfteverhältnisse im Sinne der Sicherung des Asylrechts und gegen die Abschottung der BRD und Westeuropas zu verändern. Doch der Kampf um eine offene, solidarische Flüchtlingspolitik wird letztlich nicht auf dem Terrain der Menschen- und BürgerInnenrechte entschieden, sondern auf dem Terrain der „sozialen Frage“. Nur wenn diejenigen, die sich nach Jahrzehnten schleichender sozialer Krise und Sparpolitik im Westen beziehungsweise aufgrund der Zusammenbruchskrise im Osten der Republik in ihren Lebensperspektiven bedroht sehen, eine Alternative zum Verteilungs- und Verdrängungskampf gegen die Schwächsten der Gesellschaft sehen, kann der von der politischen Rechten stimulierten Erosion der öffentlichen Akzeptanz der Flüchtlingsaufnahme Einhalt geboten werden. Dieser Ansatz ist jedoch in der grünen Debatte noch nicht zum Tragen gekommen. Daniel Kreutz, Die Grünen im Landtag NRW, Düsseldorf