„Das zieht mich als Mann runter“

Gewalt gegen Frauen als „Männerthema“/ Noch gibt es nur eine Handvoll Forschungsgruppen/ Männer zeigen sich „lernbehindert“ / Wie erfolgversprechend ist Tätertherapie?/ Fachtagung des Kieler Frauenministeriums  ■ Von Christine Weber-Herfort

Wir sind hoffähig geworden. 15 Jahre nach dem ersten großen internationalen Tribunal in Brüssel zum Thema „Gewalt gegen Frauen“ sitzen wir in einem richtigen Schloß unter einem elektrifizierten Kronleuchter, geladen von einer leibhaftigen Ministerin bei einer Konferenz zum Thema „Gewalt — Thema für Frauen und Männer“. Nichts ist mehr anstößig. Auch die anwesenden Herrschaften leugnen die Männergewalt schon lange nicht mehr. Und hier im Schloßsaal mit dem etwas sterilen Ambiente ist jeder Siebente ein Mann. Ein engagierter Mann, ein betroffener Mann, ein Pionier gegen die langsame Gangart männlichen Fortschritts.

Die Ministerin für Frauenfragen des Landes Schleswig-Holstein, Gisela Böhrk, eröffnete in Kiel vor gut 500 TeilnehmerInnen den Dialog, denn bisher gab es nur Sprachlosigkeit zwischen den Geschlechtern. „Männer“, so der Part von Dr. Edit Schlaffer aus Wien, „sind zu emotionalen Minimalisten geschrumpelt“, die kühl mit den ihnen verbliebenen Restemotionen kalkulieren. „Männer“, das hat die Berliner Professorin Dr. Carol Hagemann-White erkannt, „brauchen einfach mehr Mut.“ Immerhin, ein ganz klein wenig mutig sind sie schon, die Männer, die sich hier der Diskussion mit der Frauenübermacht stellen; aber sie wollen sich nicht „als verbaler Punchingball mißbrauchen lassen“, wie es der Hauptreferent Dr. Michael C. Baurmann, Diplompsychologe von der Kriminologischen Forschungsgruppe beim Bundeskriminalamt, betont. Er wird mit der schlichten Frage konfrontiert: Lernen Männer langsam? Ja, meint er und greift auf viele leidvolle Erfahrungen aus jahrelanger Männerarbeit zurück. „Männer sind oft lernbehindert, gar lernunfähig.“ Es fehle allerdings auch an männerfreundlichen Lernzielen: „Es zieht mich als Mann runter oder bringt mich in Abwehr, wenn ich mich mit meiner potentiellen oder tatsächlichen Täterrolle oder mit Gewalttätigkeiten anderer Männer beschäftige. Positive Lernziele, auch einen Lernprozeß, der Spaß macht — und deshalb leichterfällt —, haben wir Männer beim Männer- und Täterthema noch kaum entwickelt.“

Noch sind sie wenige, die Trendsetter gegen männliche Gewalt und für Lustgewinn bei der Bewußtwerdung. „Eine Männerbewegung gibt es nicht“, konstatiert Baurmann. Es gebe Männergruppen, die insgesamt jedoch nur lächerlich kleine Fortschritte erzielten. Zwei Arten von Männer-Zusammenschlüssen seien zu unterscheiden: Da sind die Selbsterfahrungsgruppen, die „Herrenprogramme der weiblichen Emanzipation“, die „Bewährungsauflage der Frauenbewegung“, wie Baurmann persifliert, und da sind die anspruchsvollen Männerprojekte zum Gewaltthema. Seit 1986 entwickeln sie sich hier und da — insgesamt 18 Projekte. Die Arbeit ist aufreibend: „Überwiegend unterbezahlt, selbstausbeuterisch, hochgradig ungeschützt und oft ehrenamtlich trotz hervorragender Qualifikationen der dort arbeitenden Männer.“

Die Avantgarde der Männerbewegung probt noch, ist noch in der Experimentierphase. Auch konzeptionell gibt es nur undeutliche Aussagen der Männergruppen, die Baurmann „gefärbt von meiner eigenen Wahrnehmung“ u.a. so skizziert:

—Männer sehen ihre potentielle Betroffenheit, wenn es um gewalttätiges Handeln geht. „Wir erkennen, das Gewalttätigkeit etwas mit jedem von uns zu tun hat. Wir haben auch Angst, Opfer von Gewalttätigkeiten anderer Männer zu werden.“

—Die potentielle Gewaltbereitschaft eröffnet dem Mann die Möglichkeit zur Empathie (nicht zur Kumpanei) mit dem gewalttätigen Mann. „Empathie ist in dieser Situation ebenso notwendig wie eine klare Konfrontation.“

—Die Männer aus diesen Gruppen vertreten eine Position kritischer Solidarität gegenüber der Frauenbewegung. Frauen- und Männerbewegung müssen auf dem jetzigen Stand der Gewaltdiskussion weitgehend getrennt arbeiten.

—Die Arbeit von Männern, die sich gegen Gewalt wenden, wird von ihnen nicht für die Frauen, sondern für sich selbst und für und mit anderen Männern gemacht; daraus resultiere auch eine „Kritik an der Position mancher Männern, die sich als Profeministen oder gar als Feministen darstellen wollen.“

Die Wandlung vom gewalttätigen zum friedfertigen Mann soll durch Tätertherapie, durch Prävention, durch Aus- und Fortbildung und Supervision erfolgen. Dies scheint Konsens in den meisten Männergruppen zu sein, die sich mit der Gewaltfrage auseinandersetzen.

Auf der Couch also soll der Bewußtseinswandel initiiert werden, und Spaß soll es machen, die Männergesellschaft zu verändern. Stimmt nicht? Macht nichts. „Man lernt nie aus“, erkannte auch Dr. Michael C. Baurmann.

„Die Prävention für Frauen“, so formulierte Ursula Schele vom Notruf für vergewaltigte Frauen in Kiel „heißt Widerstand leisten.“