Kulturausschuß will im Grenzturm tagen

■ Senatsverwaltung gegen »Disneyland« an der Bernauer Straße

Berlin. Ausgerechnet den Grenzturm am ehemaligen Mauerstreifen im Schlesischen Busch hat sich der Treptower Kulturausschuß als Tagungsort gewählt. Die jungen Leute, die dort das »Museum der verbotenen Kunst« betreiben, sehen dieser Zusammenkunft mit den Stadtverordneten am 8. Oktober mit Spannung und Optimismus entgegen.

Anlaß für die Begegnung an solch ungewöhnlichem Platz ist ein Antrag, den CDU und SPD in der Treptower Bezirksverordnetenversammlung am 28. August einbrachten. Dieser sieht die Umsetzung des Wachturms in die geplante Mauer- Gedenkstätte an der Bernauer Straße vor.

Begründet wurde dies damit, daß der Turm im Original erhalten blieb und das »Studio für verbotene Kunst« langfristig »an geeigneter Stelle wirksam werden« könnte.

Bei ihrem Ansinnen hatten die Abgeordneten der Treptower »Regierungs«koalition die Betreiber dieses einmaligen Projektes im ehemaligen Niemandsland zwischen Treptow und Kreuzberg weder informiert noch um ihre Meinung gefragt. Diese wandten sich dann prompt in einem offenen Brief an die Abgeordneten und baten darum, dem Antrag ihre Zustimmung zu versagen. Das Problem landete schließlich im Kulturausschuß, der sich nun vor Ort ein ein Urteil bilden möchte.

Inzwischen sind die jungen Künstler, denen die ehemaligen DDR- Grenztruppen die »Führungsstelle Schlesischer Busch« im Juli 1990 in Absprache mit dem damaligen Rat des Stadtbezirkes für die Einrichtung eines Museums übergeben hatten, nicht mehr ganz so pessimistisch. Sie haben läuten hören, daß man weder in der Senatsverwaltung Kultur noch im Deutschen Historischen Museum viel davon halte, eine Gedenkstätte an der Bernauer Straße zu einem Sammelsurium von Mauerresten aus der Stadt zu gestalten.

Auch Museumsreferent Güntzner von der Senatskulturverwaltung ist der Meinung, daß »die letzten Stücke Originalität der Mauer nicht zu einem ‘Disneyland‚ verwandelt werden« sollten.

Dr. Helmut Trotnow, vom Deutschen Historischen Museum mit dem Projekt Mauer-Museum in der Bernauer Straße betraut, versicherte auf Anfrage, daß »dort nur restauriert wird, was auch dort gestanden hat«. »Mit allem, was dazu in Treptow läuft, haben wir überhaupt nichts zu tun«, sagte er. Angesichts der Tatsache, daß es sich bei den Betreibern des Museums der verbotenen Kunst im Schlesischen Busch um ehemalige oppositionelle Künstler handelt, verwies Dr. Trotnow besonders darauf, daß »Tendenzen bei nicht wenigen Menschen auf beiden Seiten der Mauer« entgegengewirkt werden sollte, »die Spuren der Vergangenheit recht bald beseitigen möchten«.

Die Betreiber des Museums der verbotenen Kunst, die sich zu DDR- Zeiten durch Berufsverbot und Ausgrenzung schon im »kulturellen Niemandsland« bewegen mußten, haben inzwischen 25.000 Mark und viele tausend Stunden unbezahlter Arbeit in ihr Projekt investiert.

Sie sprechen in ihrem offenen Brief von einem unfairen Pachtvertrag, der Verweigerung einer Feuerwehr- bzw. Wirtschaftszufahrt, einer Absperrung des Geländes zur Straße hin und dem Verbot des Getränkeausschanks. Nachdem sie das Dach repariert hätten, WC und Küche gefliest seien und nun auch ein gefordertes Gesundheitszeugnis vorliegt, hoffen die jungen Enthusiasten darauf, daß die Treptower Abgeordneten sich von dem Ernst ihres Anliegens überzeugen und ihnen Ruhe für neue Projekte gönnen.

Eine Umsetzung des letzten im Original erhaltenen Wachturms der Mauer, so hat inzwischen auch ein Gutachten ergeben, würde nicht nur das Gebäude, sondern auch das Museum der Verbotenen Kunst zerstören. Helga Pett/adn