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Tierquälerei als Volksgaudi

Madrid (taz) — August und September sind die Monate der Dorffeste in Spanien. Die Gassen werden geschmückt, auf der Plaza schrammelt ein Orchester, und dann wird tagelang gebechert und gesungen. Weniger lustig sind viele dieser Feste allerdings für die daran beteiligten Tiere.

Da ist nicht nur der Stierkampf, der in immer mehr Gemeinden zum selbstverständlichen Höhepunkt der Festlichkeiten gehört. Schweine, Kälber, Gänse und Hühner werden bei diesen Volksbelustigungen häufig zu Tode gequält. Da üben sich in Cercedilla, einem Kaff in der Nähe von Madrid, am Nachmittag des ersten Festtags die Ledigen im Stierkampf gegen Kälber, am zweiten dürfen es allein die Frauen, am dritten Tag die Verheirateten versuchen. Ist schon der von Profis ausgeführte Stierkampf eine Qual für das Tier, so um so mehr, wenn diejenigen, die da mit Lanzen auf den Stier losgehen, nicht wissen, wohin und wie tief sie stechen. Am zweiten Tag werden mit Fett eingeschmierte Schweine losgelassen, die die Bevölkerung zu grabschen versucht. In anderen Dörfern dürfen Kinder an Kälbern Stierkampf üben. Beim Encierro, dem Treiben der Stiere von ihrem Aufenthaltsort bis zur Arena, werden die Dorfbewohner häufig ihre Aggressionen durch das Prügeln der Rinder los. Manche müssen noch vor dem eigentlichen Stierkampf getötet werden, weil sie sich vor Qual und Erschöpfung nicht mehr auf den Beinen halten können. Bei manchen Festen werden Rindern Fackeln in die Hörnern gerammt und angesteckt, so daß die vor Schmerz wilden Tiere irr zu laufen beginnen. In dem Örtchen Las Rozas bei Madrid wurden bis vor einem Jahr Ziegen betrunken gemacht und ihnen Gegenstände in die Geschlechtsteile gestopft. Neben Kastilien und der Extremadura, beides harte Gegenden fürs liebe Vieh, ist das Baskenland vorneweg bei diesen Ritualen. So hängen sich bei einem Fest im baskischen Lequeitio junge Burschen an Gänse, die an ihren Hälsen aufgehängt wurden, bis die Hälse reißen.

Die Behörden schreiten nach Möglichkeit gegen diese Belustigungen nicht ein. Unter Franco verboten, sind sie in den letzten zehn Jahren unter dem Motto der Rückgewinnung alter Traditionen zu neuen Ehren gekommen. Die „Nationale Vereinigung für die Verteidigung der Tiere“ ANDA hat dieses Jahr in mehreren Fällen Anzeige erstattet. „Spanien ist das grausamste Land Europas gegen Tiere“, klagt der Sprecher der ANDA. Wenn ihren Einsprüchen nicht stattgegeben werde, wollen sie bei der EG Gehör suchen. Ob der lange Arm der EG allerdings bis nach Cercedilla reicht, wird sich noch zeigen. Antje Bauer

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