: Tour d'Europe
■ Ein paar Milliarden Lire
Wer als Flüchtling kommt und in der EG Zuflucht sucht, hat es weiterhin mit nationalen Regierungen zu tun. Die EG ist in Asylfragen nicht zuständig. Jedes Mitgliedsland darf seine Asylpolitik so gestalten, wie es das für richtig hält — im Rahmen der Genfer Konvention versteht sich, die alle EG-Länder unterschrieben haben. Manche Länder weisen Flüchtlinge schon an der Grenze ab, weil sie aus Ländern kommen, die irgendwelche Listen als „sicher“ bezeichnen — dazu gehört Frankreich. Andere setzen Asylbewerber ins Gefängnis, wenn sie es wagen, eine Behördenentscheidung legal anzufechten — dazu gehören die Niederlande. Wieder andere bringen Asylbewerber in Heimen unter, wo sie allnächtlich von rechtsradikalen Schlägern belagert werden — dazu gehört Deutschland.
Die erfolgreichsten Techniken beim „Flüchtlinge fernhalten“ setzen sich schnell in dem wohlhabenden Teil Europas durch. Eines der probaten Mittel ist die Vergiftung des politischen Klimas: Den Anfang machen ausgewiesene Rechtsradikale. Wie z.B. Le Pen in Frankreich. Der ruft laut: „Frankreich den Franzosen — Ausländer raus“ und die „politische Klasse“ reagiert indigniert. Sobald sich jedoch zeigt, daß die Hetze Erfolg hat, ziehen die Indignierten nach. Als nächster stellt der Gaullist Chirac fest, daß „Ausländer stinken“. Dann erklärt die Sozialistin Cresson der klandestinen Immigration den „Krieg“. Schließlich will der noble Liberale Giscard d'Estaing die „Invasion“ von Einwanderern stoppen. Der Verlauf typisch. Am Ende ist nicht mehr die Stimmung im Land ausländerfeindlich, sondern die Regierungspolitik: In Norwegen kam eine sozialdemokratische Regierung so zu einer besonders restriktiven Asylpolitik und Österreich machte so seine Grenzen für die alten Freunde aus Rumänien dicht. Ob sich die Kotaus der Bürgerlichen vor den Rechtsradikalen wahltaktisch auszahlen, darf dennoch bezweifelt werden: Bekanntlich erfreuen sich die rechtsradikale norwegische „Fortschrittspartei“ ebenso wie die österreichische „FPÖ“ weiter großer Beliebtheit. Und in Frankreich hält nach einer neuen Umfrage eine 22 Prozent starke Gruppe der Bevölkerung Le Pen für den fähigsten Mann, die Einwanderungsfrage zu „lösen“; seinen bürgerlichen Nachahmern trauen viel weniger Franzosen diese Kompetenz zu.
Als Mittel der Asylpolitik ist auch die Streichung von Hilfe beliebt. Jüngstes Beispiel ist Spanien. Die Regierung beschloß am Montag, Asylbewerbern aus Polen, Rumänien, der CSFR, Ungarn und Bulgarien das magere Übergangsgeld von monatlich 500 DM nicht mehr zu zahlen. Der Grund: In diesen fünf Ländern gebe es keine politische oder sonstige Verfolgung mehr.
Eine ganz moderne Variante des Fernhaltens von Flüchtlingen ist das Angebot „Ihr bekommt Entwicklungshilfe, wenn Ihr Emigration verhindert“. Den Anfang machte Frankreich. In diesen Tagen ist der britische Einwanderungsminister in Afrika unterwegs, um mehreren Regierungen einen Deal Entwicklungshilfe gegen Emigrationsstop anzudienen.
Wo es längs geht hat der italienische Innenminister Scotti nach dem Drama der albanischen Flüchtlinge in Bari gesagt: „Für ein paar Milliarden Lire hätten wir uns das sparen können.“ dora
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