Frankreich soll Zaires Diktator retten

■ Nach einer Armeerebellion und schweren Unruhen in Kinshasa landen Fallschirmjägereinheiten aus Frankreich und Belgien/ Vormarsch in Begleitung Mobutu-treuer Truppen „ohne Widerstand“/ Weite Teile der zairischen Hauptstadt verwüstet

Berlin (taz) — „Wenn Kinshasa niest, erkältet sich ganz Afrika“: der alte Satz der afrikanischen Diplomatenweisheit wurde gestern Wirklichkeit, mit noch unabsehbaren Konsequenzen. Zaires Hauptstadt Kinshasa wird seit gestern mittag von französischen Fallschirmjägern kontrolliert, nachdem Plünderer und marodierende Soldaten die Vier- Millionen-Stadt weitgehend verwüstet hatten.

Was in der Nacht zum Montag als Meuterei in einer Militärgarnison begonnen hatte, entwickelte sich in den nächsten 36 Stunden zum allgemeinen Aufstand. Mehrere tausend Soldaten waren aus ihrem Stützpunkt Ndjili, nahe des internationalen Flughafens, in das 40 Kilometer entfernte Kinshasa gezogen und hatten sich mit Plünderungen für das Ausbleiben ihres Soldes revanchiert. Binnen weniger Stunden schloß sich die ausgehungerte Bevölkerung der Hauptstadt, in der Lebensmittel seit Monaten nur noch zu Wucherpreisen erhältlich sind, den rebellierenden Einheiten an. Regimetreue Truppen errichteten Straßensperren; es kam zu Schußwechseln. Am Montag abend glich das Zentrum Kinshasas, mit seinen halbfertigen Bauruinen ohnehin kein Schmuckstück, einem Schlachtfeld. Teile der ausländischen Bevölkerung Kinshasas — 6.500 Belgier und 4.000 Franzosen — sammelten sich in den großen Hotels der Stadt.

Gestern eskalierte die Lage weiter. Die Meuterer ignorierten einen Aufruf des Oberkommandos der Armee, in ihre Kasernen zurückzukehren. Statt dessen drangen Soldaten in die Villenviertel der Hauptstadt vor und plünderten Residenzen der Elite. In der Stadt selbst waren nach Augenzeugenberichten Tausende von Läden dem Erdboden gleichgemacht worden. Die Regierung verhängte eine Ausgangssperre. Nach Meldungen zairischer Medien kam es auch in der südlichen Stadt Lubumbashi und der Bergwerkstadt Kolwezi (Provinz Shaba) zu Unruhen.

In New York hatten unterdessen Krisenberatungen zwischen belgischen, französischen und US-amerikanischen Diplomaten stattgefunden. Das Ergebnis: Gestern morgen übernahm eine französische Militärkompanie die Kontrolle über den Flughafen von Kinshasa. Weitere Einheiten trafen im Laufe des Vormittags aus Kongo, der Zentralafrikanischen Republik und aus Tschad ein. Zusammen mit Einheiten der regimetreuen zairischen Präsidialgarde marschierten die insgesamt 450 Mann in die Innenstadt Kinshasas vor — wie es hieß, „ohne Widerstand“. Auch Belgien schickte etwa 250 Soldaten. Offizielle Begründung: eine eventuelle Evakuierung der Belgier und Franzosen.

Die französisch-zairische Zusammenarbeit legt den Verdacht nahe, Paris gehe es vor allem um die Rettung des diktatorischen Mobutu-Regimes, das nach wir vor als Garant der Stabilität gilt. Zwischen beiden Ländern besteht ein Militärabkommen, das unter anderem die ständige Präsenz von 80 französischen Militärberatern in Zaire garantiert. Die meuternde Armeekompanie von Ndjili war französisch ausgebildet.

Schon seit Monaten ist die politische Lage in Zaire extrem gespannt. Der Druck der gut organisierten Opposition auf Diktator Mobutu wird heftiger, seit Mobutu Ende Juli eine Nationalkonferenz zur Reform des politischen Systems einberief. Anfang September starben mindestens fünf Menschen bei Demonstrationen gegen Preiserhöhungen in Kinshasa. Daraufhin waren Zaires Beamte in einen unbefristeten Lohnstreik getreten. D.J.