Öfter mal herzhaft

■ Sechs Kurzfilme von Andreas Fischer

Aus »Zweiundneunzigmalseinzusein«

»Die Welt braucht mehr Herz« tönt ein komischer Heiliger in Andreas Fischers gleichnamigen Kurzfilm von der Leinwand herunter und macht den Zuschauer alsbald zum Komplizen bei dem Experiment, der Welt mittels Innereien und Kopiergerät zu mehr »Herz« zu verhelfen. Der 1986 halb dokumentarisch, furios gedrehte, 6-minütige Streifen voll hintergründigem Sprachwitz und Situationskomik steht am Anfang eines Pakets von sechs Kurzfilmen des Berliner Theaterwissenschaftsstudenten und Filmemachers Andreas Fischer, das seit Anfang des Jahres durch 40 deutsche Städte tourte und nun auch von den Kinofreaks der Brotfabrik ins Programm genommen wurde. Am 26. und 27.9. läuft die Zusammenstellung der zwischen sechs und zwanzig Minuten langen Arbeiten Fischers, die sich kein Filmfan entgehen lassen sollte.

Der Autodidakt Fischer baut in seinen Filmen eine Distanz zu seinem Medium auf, die in Souveränität umschlägt. Seine Bilder bewegen sich abseits des visuellen Mainstream und der erzählerischen Hausmannskost, ohne dabei auf eine Geschichte zu verzichten. Als eines seiner großen Vorbilder bezeichnet der Jungfilmer mit eigener Produktionsfirma Jean-Luc Godards »Au Bout du Souffle« (Fischer: »Das ist Freiheit«). Ähnlich wie Godard hat auch Fischer ein besonderes Verhältnis zum Zelluloid, er will dem Zuschauer keine »Wahrheit« vorgaukeln, sondern einen Film zeigen — nicht mehr und nicht weniger. Dabei läßt sich er auf kein bestimmtes Genre festlegen. Fischer macht alles: Komödien, Kurzkrimis und Dokumentarfilme.

In »Kurt« erzählt er die Geschichte des Aushilfskellners Kurt Schlagk, der Mitte der Dreissiger Jahre im Casino der UfA zahlreiche Größen der Filmbranche bediente und sie dabei nach und nach zu parodieren lernte. Fischer portraitiert den begabten Außenseiter, der seine Chance verpasste, mit sympatisierendem Blick und einer Distanz , die den Protagonisten in seiner Würde beläßt. »Zweiundneunzigmalseinzusein« dagegen ist ein »Äktschen«-Film, nach Fischers entkrampften Selbstverständnis ein Film zum Mitmachen, bei dem es dann auch nicht mehr verwundert, daß er schon im New Yorker Museum of Modern Art gezeigt wurde. Im vierten Teil des Programms, der »Küchenbank des Grauens« versucht der Regisseur ein Kindheitstrauma, einen Kastraktionsängste heraufbeschwörenden Unfall zu rekonstruieren, bei dem der Zuschauer gerade als männliches Wesen nicht so recht weiß, ob er lachen, weinen, oder sich vornüber krümmen soll. Doch eins wird klar: der Mann hat Humor und verfügt über eine Erzählweise , die einen fesselt und fasziniert, obgleich ihre Strukturen wie offene Wunden freiliegen. Fischer ist nunmal Filmemacher, im gewissen Sinne ein Handwerker und Denker zugleich, den die perfekte visuelle Simulation, das Trugbild, nicht interessiert.

Der längste Streifen ist ein Kurzkrimi mit dem Titel »Im Schatten der Gigantin« aus der Trilogie der beabsichtigten Todesfälle, wie auch der letzte und, wenn man sich überhaupt entscheiden möchte, beste Film im Programm von Andreas Fischer. In »Lockruf des Blutes« spielt eine Figur namens Baumzelt die Hauptrolle. Baumzelt ist ein sonderbarer Mann mit einem sonderbaren Beruf und dazu nur noch soviel: er arbeitet bei der Feuerwehr und ist KEIN Brandstifter. 76 Minuten dauert das ganze Paket, es garantiert 76 Minuten Filmspaß jenseits glatter Konsumierbarkeit. Ulrich Clewing

Am 26. und 27.9. in der Brotfabrik