Bürger gegen Haases Tempo-50-Plan

■ Bei Bürgeranhörung mehrheitliches Votum für die Ausweitung von verkehrsberuhigten Gebieten

Kreuzberg. Die von Verkehrssenator Haase (CDU) angestrebte Aufhebung von Tempo 30 trifft bei Anwohnern und ansässigen Gewerbetreibenden auf heftigen Protest. Der Senator möchte unter anderem auch in der Reichenberger und der Ritterstraße wieder Tempo 50 einführen, damit der 129er-Bus schneller fahren kann.

Doch die Teilnehmer einer Bürgeranhörung erteilten Haase eine glatte Abfuhr. Gestern abend forderten sie einstimmig den weiteren Ausbau von Tempo-30-Zonen. Mehrheitlich votierten die 50 Bürger sogar für die Einführung flächendeckender Verkehrsberuhigung mit Schrittempozonen. »Wenn in diesen Straßen wieder 50 gefahren werden darf«, faßte ein Vater von zwei Kindern die Empörung der Anwesenden zusammen, »dann sind die Toten vorprogrammiert.«

In Kreuzberg wurden seit 1989 zwölf Tempo-30-Zonen errichtet, referierte Baustadträtin Erika Romberg (AL). Dies sei nach Anhörung und breiter Zustimmung aller Betroffenen geschehen. Mit kostspieligen baulichen Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung sei vor eineinhalb Jahren begonnen worden. Deshalb sei bei der Bezirksverordnetenversammlung die Ankündigung von Haase auf Unverständnis und Ablehnung gestoßen, in der Möckern- und Großbeerenstraße in voller Länge, im Straßenzug Friesen-/Zossener Straße südlich der Gneisenaustraße bis Columbiadamm und in der Reichenberger und Ritterstraße zwischen Lindenstraße und Landwehrkanal wieder Tempo 50 einzuführen.

Sollte auf den betreffenden Straßen wieder schneller gefahren werden dürfen, so Erika Romberg, wäre das gesamte bezirkliche Verkehrskonzept gefährdet. Die Tempo-30- Zonen wären zerschnitten, das allgemeine Geschwindigkeitsniveau würde sich wieder erhöhen. Das befürchten auch die Anwohner der Reichenberger und Ritterstraße in SO36. In den beiden Straßen befinden sich etliche Schulen, ein Seniorenheim, mehrere Kindertagesstätten und ein Jugendfreizeitheim. »Ich hoffe, daß wir nicht wie in Hamburg erst tödliche Unfälle brauchen, um unsere Argumente zu untermauern«, sagte ein Vater mit Kind. Die Anwohner fordern den weiteren Rückbau der beiden Straßen. Durch Verschmälerung, Errichtung von Pollern und Bodenwellen nach dem Vorbild der »Moabiter Kissen« und der Aufstellung weiterer Tempo-30- Schilder wollen sie die Sicherheit in ihrem Wohngebiet erhöht sehen.

Deutliche Unterstützung für das Kreuzberger Verkehrskonzept hatte es auch im Verlaufe des Tages gegeben. Schüler der Paul-Doormann- und der Niederlausitz-Schule und ihre Eltern hatten 2.501 Unterschriften gegen die Aufhebung der Tempo-30-Regelung in der Reichenberger und Ritterstraße gesammelt. Mathias Gröckel