Zeuge: Schießbefehl ließ Spielraum Angeklagter schwer belastet

Berlin (ap/dpa/taz) — Im Prozeß gegen die vier ehemaligen DDR- Grenzsoldaten ist einer der vier Angeklagten, Ingo Heinrich, gestern schwer belastet worden. Der damalige Unterleutnant, Alexander Hanf, sagte gestern vor dem Berliner Landgericht als Zeuge aus, er habe von einem Politoffizier „unterderhand“ erfahren, daß Ingo Heinrich den tödlichen Schuß auf Chris Gueffroy abgegeben habe.

Nach den Worten von Hanf kam der Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze direkt von Staats- und Parteichef Honecker; dieser sei jedoch von den Offizieren unterschiedlich interpretiert worden. Honecker habe im Dezember 1988 den Schießbefehl eingeschränkt. Demnach sollte nur noch dann auf Flüchtende geschossen werden, wenn Gefahr für das Leben der Grenzsoldaten bestehe oder schwere Technik benutzt werde. Die Offiziere haben indes nach Darstellung von Hanf den Schießbefehl nach eigenem Gutdünken interpretiert. „Wenn ein Flüchtender nicht anders zu kriegen ist, wird nach wie vor geschossen“, soll ein Kommandeur gesagt haben. Ein Grenzsoldat, der mit Absicht daneben geschossen habe, sei nicht zu belangen gewesen. Sein Kompaniechef habe ihm zu verstehen gegeben, daß „Straffreiheit im weiteren Sinne“ zu erwarten sei, wenn man einen nicht mehr erreichbaren Flüchtenden laufen lasse und selber nicht angegriffen werde.

Am Vormittag haben die Verteidiger von Schmett und Kühnpast vergebens beantragt, die Verfahren gegen ihre Mandanten abzutrennen und ohne weitere Beweisaufnahme einen Freispruch zu fällen. Die Rechtsanwälte Steffen Ufer und Rolf Bossi argumentierten, die bisherige Beweisaufnahme habe ergeben, daß der tödliche Schuß nicht von Schmett oder Kühnpast abgegeben worden sein könne, sondern „aus der Richtung des Postenpaares Heinrich/ Schmett“. Das Gericht lehnte den Antrag jedoch ab — er sei „nicht zweckdienlich“. itz