Zwischen Pflicht und Lustlosigkeit

■ Kohls Sozialismusschelte in mäßig besuchter Stadthalle / Engholm im Stau

Kanzler, Vorsitzender und ein Kandidat in der dritten ReiheFoto: Björn Haake

Wum tata, der Kanzler kommt! Proppere Popper und gerührte ältere Menschen klatschten in der nur mäßig gefüllten Stadthalle zum Parademarsch. „Platzhirsch“ Bernd Neumann ließ sich von den leeren Plätzen nicht beirren, und sprach vollmundig von 7.000 Besuchern (laut Polizeibericht 3.000). Nach Neumann „Warming up“ mußte „unser Ulli“ Ulrich Nölle in die Bütt, nicht eben seine Stärke. Er zeichnete das Schreckensbild einer vom Ruin bedrohten Hansestadt, die betteln gehen müsse. Die im Saal versammelten HanseatInnen spendeten betroffen nur wenig Beifall. „Wir müssen die Kraft aufbringen, uns vom Sozialismus zu befreien“, forderte Nölle mit letzter Kraft. Dann kam der Kanzler.

Als Ouvertüre zu seiner Wahlkampfstandardrede schmierte er den BremerInnen erstmal ein bißchen Honig um den Bart: „Bremen ist nicht irgendeine Stadt in Deutschland. Ihre Stadt hat die Geschichte unseres Landes mitgeschrieben.“ Und endlich das, was alle hören wollten: „Bremen muß selbständig bleiben, das ist die Maxime unserer Politik.“ Aber: „Wer sagt, Bremen muß selbständig bleiben, der muß auch dafür sorgen, daß diese Selbständigkeit ausgefüllt wird.“ Die Wahl am Sonntag sei eine Entscheidungswahl.

Bemerkenswert an Kohls gut einstündiger Rede: der Namen „Hoyerswerda“ kam ihm nicht über die Lippen. Er forderte einen

„Pakt der Vernunft“ zur Lösung der Asylfrage. Den Wedemeier- Vorschlag hält er allerdings für Unsinn. Die Frauen speiste Kohl mit drei Sätzen unter der Rubrik „Familie und Kinder“ ab.

Ansonsten verkündete er Altbekanntes, für Bremen gewürzt mit einer dicken Portion Schelte auf die „sozialistische Mißwirtschaft“. Ein Trüppchen junger Menschen, vom Kanzler als „späte Nachhut des bremischen Sozialismus“ etikettiert, brachte ihn gelegentlich leicht aus der Fassung. Die Jugendlichen skan

dierten immer wieder lautstark „Maoam“ (“Was wollen wir?“) und „Han-ne-lo-re“, bekanntlich der Name der Kohl-Gattin. Abschließen forderte Neumann auf, die „Stimmung im Saal in Stimmen“ umzuwandeln. Es folgte das Deutschlandlied.

Lustloser Lambsdorff

Demonstratives Desinteresse zeigte gestern der FDP-Bundesvorsitzende, Otto Graf Lamdbsdorff, auf seiner Wahlkampftour in Bremen. Während der Bremer FDP-Fraktionsvorsitzende Claus Jäger Ausführungen zur Bremer Politik zwei Tage vor der Wahl machte, las Lambsdorff eine lange Papierrolle mit den neuesten dpa-Meldungen. „Gar keine Bedeutung“ für die Bonner Politik habe das Wahlergebnis in Bremen, räumte Lambsdorff ein. Die Frage der Staatsverschuldung Bremens scheint auch in der FDP- Spitze bisher nicht Thema gewesen zu sein: „Keine abschließende Meinung“ habe man dazu, erklärte Lambsdorff. Wenn allerdings Wedemeier fortfahre, heftige Kritik an der Bonner Finanz- und Steuerpolitik zu üben, dann sinke die Gesprächsbereitschaft der FDP über das Thema Teilentschuldung „auf den Gefrierpunkt“.

Der Bremer FDP-Vorsitzende Manfred Richter sah sich nach dieser Äußerung bemüßigt, den anwesenden Journalisten schnell noch einmal die Bremer FDP-Position zur Frage Teilentschuldung mitzuteilen.

Engholm läßt warten

Für den abend hatte sich der Björn Engholm zum Besuch im Bürgerhaus Vahr angesagt. 300 BremerInnen waren gekommen, um den SPD-Vorsitzenden zu hören. Doch der ließ wegen Stau auf der Autobahn eine Stunde auf sich warten, und so mußte nach der Blasmusik Klaus Wedemeier reden, reden und reden. Bei Redaktionschluß betonte Engholm, daß es sich bei Klaus Wedemeier um einen schmucken Ministerpäsidenten handele. asp/kw/ase