Bremen will Lürssen sanieren

■ Bremen zahlt Sanierung des Lürssen-Firmengeländes / Fücks: Ein „Bubenstück“

Seit mehreren Jahren gibt es vertrauliche Verhandlungen darüber, wie eine ökologisch belastete Industriebrache — 90.000 Quadratmeter — am Vegesacker Hafen saniert werden soll. Das Gelände gehört bis auf einen kleinen Teil dem Familien-Werftbetrieb Lürssen. In einem Konzept, das die Wirtschaftsförderungs- Gesellschaft erarbeitet hat, liegt das Ergebnis der Verhandlungen vor: Bremen kauft zuerst von Lürssen für 4,5 Millionen belastetes Gelände ab. Für die Sanierungskosten des gesamten Geländes übernimmt Bremen das volle Risiko. Sein saniertes Gelände darf Lürssen dann verkaufen.

„Die Familie Lürssen läßt sich ihre altlastenverdächtige Brachfläche vergolden“, kommentiert der grüne Ralf Fücks den Fall. Wirtschaftssenator Beckmeyer meinte zu den Vorwürfen, er verstehe den „Zickzackkurs“ der Grünen nicht — Wirtschaftsdeputations-Mitglied Manfred Schramm habe dem Konzept doch zugestimmt.

Beschlossen wurde allerdings bisher nur, daß ein Architektenwettbewerb stattfinden soll, in dem es um ein städtebauliches Konzept für die Industriebrache gehen soll. Ein Wohngebiet „Hansestadt“ oder ein Gewerbegebiet Wohnbebauung am Rande sind die groben Alternativen.

In Bremen-Nord weiß man das traditionsreiche Industriegebiet, auf dem seit Jahrhunderten Werftbetrieb stattfand und bis in die 70er Jahre auch die Heringsflotte stationiert war, in guten Händen: Neben dem Firmenchef Lürssen Senior hat Egon Kähler, Geschäftsführer der Bremischen Gesellschaft für Stadtentwicklung, das Gelände zu seiner Sache gemacht. Kähler ist selbst auch Bremen-Norder, die beiden Herrschaften wollten sich mit der Lürssen-Sanierung „ein Denkmal setzen“, sagen lockere Zungen in Bremen-Nord. Das Konzept, nach dem die Stadtgemeinde die Kosten für die Lürssen-Sanierung übernehmen soll, trägt die Unterschrift der „Bremischen“.

In der Sache hat Lürssen sen., der vor wenigen Wochen verstarb, erfolgreich verhandelt. Das bodenkundliche Institut Dr. Nowak, das von bremischen Senatsaufträgen lebt, hatte in einer groben Überblicksuntersuchung ökologische Belastungen festgestellt: Schwermetalle, Teere, Farbreste sind auf dem Werft-Gelände jahrhundertelang in die Erde gesickert. Als von den Behörden Nachuntersuchungen gefordert wurden, brach Lürssen im Frühjahr 1990 für mehrere Monate die Verhandlungen ab.

Dem Ergebnis, das jetzt als Absichtserklärung der bremischen Wirtschaftsförderungs- Gesellschaft vorliegt, kann die Familie Lürssen ohne Probleme zustimmen:

Es soll eine gemeinsame Firma zwischen der staatseigenen HIBEG und Lürssen gebildet werden, die „GRVE“, die 4,5 Millionen Mark für 30.000 Quadratmeter des Geländes an Lürssen überweist. Wie kommt die GRVE zu dem Geld? Die HIBEG „stellt sicher“, daß es ein „zinslosen Darlehen“ Bremens in der Höhe gibt. Das heißt: Lürssen kriegt erst einmal 4,5 Millionen, Bremen zahlt dafür die Zinsen.

Die Sanierung der Flächen, auch derer, die in Lürssens vollem Privatbeseitz bleiben, trägt Bremen „bis zu einem Betrag von 3 Millionen Mark“ allein.

Sollten die Kosten der Dekontaminierung darüber hinausgehen, trägt Lürssen 20 Prozent — allerdings „nur so lange, wie eine Weiterverfolgung der angestrebten Grundstücksverwertung aus dem Blickwinkel der jeweiligen Eigentümerin wirtschaftlich vertretbar erscheint“. Das bedeutet: Wenn Lürssen erklärt, daß dies für die Werft nicht mehr „vertretbar erscheint“, gibt es neue Verhandlungen selbst um diese 20 Prozent.

So ist festgelegt, daß die Kosten im wesentlichen vom Bremer Senat getragen werden. Über die weiteren Planungsrechte heißt es:

„Alle Schritte .. sollen in Kooperation mit dem Eigentümer entwickelt und umgesetzt werden“. Und:

„Die städtebaulichen Instrumente (sollen) zurückhaltend eingesetzt“ werden. Zu deutsch: Bremen verzichtet auf die rechtliche Möglichkeit, Spekulationsgewinne Lürssens aus dem Verkauf des von Bremen sanierten Grundstückes zu begrenzen.

K.W.