Trashrockender Gesundheitsfanatiker

■ Was Jeff Dahl in seiner Psyche mit sich rumschleppt, haben andere in ihrer Plattensammlung

Wenn dir jemand dein Herz bricht, bist du stumm und still. Mit dem Drachensteigen lassen ist es vorbei, und das Kind schweigt. Es ist nicht das erste Mal, du erinnerst dich, wie lange es damals gedauert hat. Es wird nicht das letzte Mal sein, die große Frage ist das: Warum? Für was? Die Stille ist da, das Vakuum ist da, die Glasglocke ist da, wie der Splitter in deinem Herzen. Die Uhren gehen falsch.

Deine Freunde sagen: Wie kann sie dein Herz brechen, wo du doch gar keines hast? Vielleicht ist das deshalb so, weil man so lange gegenseitig aufeinander herumtrampelt, den Schmerz auch gegenseitig betäubt, und wenn der eine geht samt seiner Betäubung, liegt der pumpende Muskel frei und hat Zeit zu bluten. Also blute. Und sei still. Und vergesse nicht, es das nächstemal besser zu machen.

Das nächste Mal? Am Arsch! Das nächste Mal kann mir gestohlen bleiben. Was das alles mit Jeff Dahl zu tun hat? Nichts weiter. Wirklich. Außer, daß auch er dauernd davon singt. Reinster Zufall, Leute. Nichts weiter. Macht euch darüber mal keinen Kopf.

Jeff Dahl ist in erster Linie Fan. MC 5, Stooges, Radio Birdman, New York Dolls. Die ganze Trashrockistenpalette schleppt er mit sich rum und meint alles (Rock'n‘Roll) wieder zurück nach Hause bringen zu müssen. Dahl ist eiserner Gesundheitsfanatiker, ganz im Gegenteil zu seinen Vorbildern. Die nahmen, was kam, und hatten nicht vor, sich mit 50 Jahren noch in eine hautenge Lederhose pressen zu müssen. Was daraus geworden ist, kann man sehen. Dahls schmutziger, trashiger Rock klingt dementsprechend sauber und desinfiziert. Um nicht zu sagen harmlos. Junkies deserve to die heißt ein Song auf seiner zweiten LP Ultra Under, die gleichzeitig Stiv Bator (Ex-Dead Boys, Ex-Lords of the New Church) gewidmet ist. Der sagte »hey, hey, let's live for today«, hat das gemacht und vor einem Jahr ins Gras gebissen.

Dahls Band setzt sich zusammen aus Ex- Mitgliedern von Powertrip, Chemical People, Dream Syndicate, alles Leute, die ihren ersten Frühling weit hinter sich haben, aber dafür gern gesehene Gastmusiker in L.A. sind. Musik von Fans für Fans, Dahls Plattensammlung entspricht der von Jello Biafra, was bedeutet, das beide jede halbwegs hörbare Musik besitzen. Vielleicht sollten die beiden sich mal zusammensetzen. Und der Plattenspieler dudelt.

Die Belgier La Muerte nehmen das mit der Gesundheit nicht ganz so ernst. Gestandene Mid-70ties-Rocker, die sie sein wollen, gehen ihre dumpfen, etwas schwerfällig wirkenden Songs tendenziell zwischen Chrome und Deep Purple in Richtung Poser-Rock. Gesungen in englisch, teils französisch, wirkt ihre Sache seltsam künstlich, wie es den Franzosen so eigen ist. Scorpio Rising heißt ein Song, mit großen Namen des Underground- und Splatter-Films schmeißen sie um sich, frühere spanische Surrealisten werden als Einfluß herangezogen, deren Filmsequenzen genauso wie die von kenneth Anger als Background-Video zu ihren Auftritten laufen. La Muerte hat zu mir das gleiche Verhältnis wie Müsli zu Rotwein, oder Biker zum Dreirad. Oder die Klapperschlange zum Karnickel. Peace — Leute. Peter K.

Jeff Dahl und La Muerte spielen am Samstag, den 28. 9. um 21 Uhr im Ecstasy