Hier Telekom-Service 1-1-7-1

■ Über die Schwierigkeiten, das Telefon repariert zu bekommen: Eine Leidensgeschichte/ Telefonapparate gehen fieserweise prinzipiell kurz vor dem Wochenende kaputt

Ohne Telefon ist man in einer Großstadt nur ein halber Mensch und mitunter sogar sozial auffällig. Bedauernswert die Berliner im Ostteil der Stadt, denen der Postminister in Bonn zwar schnellstens die Segnungen eines modernen Massenkommunikationsnetzes versprochen hat, die aber nicht selten ein Jahr auf einen Anschluß warten müssen. Da sind wir Westberliner wieder einmal besser dran, ist doch statistisch fast jeder Haushalt mit einem Telefonanschluß versorgt. Mit der Entflechtung der guten alten Bundespost wurden »dem Verbraucher« auch mehr Effektivität und besserer Service versprochen...

Freitag. Seit zwei Tagen schweigt mein Telefon hartnäckig. Kein Freizeichen ertönt, kein Rauschen in der Leitung, keine Anrufe von außen — nichts. Angefangen hat das Ganze natürlich am Freitag nachmittag. Mein alter Verdacht, daß in dem kleinen Wunderkasten eine Schaltung eingebaut sein muß, die jegliche Störung auf die Zeit kurz vor dem Wochenende terminiert, flackert wieder einmal auf. Perfiderweise hören Anrufer von draußen ein ganz normales Freizeichen und geben vermutlich nach dem zehnten Versuch entnervt auf, mich zu erreichen.

Montag. Das Wochenende geht doch vorbei, sehnsüchtig erwarte ich den Montag morgen, wo die Störungsstelle bei der Post wieder besetzt ist. Erste Überraschung: Es gibt sie nicht mehr. Für Störungen jeder Art ist jetzt die Telekom zuständig, die für ganz West-Berlin eine Telefonnummer anbietet, unter der Defekte gemeldet werden können. Die professionell und modern gemachte Telekom-Werbung vor dem geistigen Auge, rufe ich frohgemut dort an — besetzt. Nicht gleich verzweifeln, zehn Versuche muß man schon einkalkulieren. Nach dem 30. Versuch endlich das Freizeichen: Ein gewaltiges Rappeln und Rauschen, dann erklärt eine freundliche Frauenstimme auf einem Endlosband »Hier ist der Telekom-Service 1-1-7-1. Zur Zeit ist kein Annahmeplatz frei. Bitte warten. Please hold the line« (Weltstadt, denke ich). Das wiederholt sich etwa eine halbe Minute lang — und endet nicht etwa damit, daß man weiterverbunden wird oder etwas hinterlassen kann, nein, man wird aus der Leitung geworfen... Nach der zehnten Wiederholung dieser Prozedur hat sich der Adrenalinpegel bereits in beachtlicher Höhe eingependelt, die Nummer 1171 ruft eine leichte Gänsehaut hervor. Nach 17 Uhr gelingt es mir endlich, mit einem Menschen zu sprechen — allerdings nur, um zu erfahren, daß jetzt niemand mehr Störungen entgegennehmen könne. Das heimische Telefon schweigt beharrlich weiter, in der Redaktion häufen sich die vorwurfsvollen Anrufe »Wo steckst du eigentlich immer, du solltest dir wirklich endlich einen Anrufbeantworter anschaffen!« Erklärungen, Telefon kaputt, versteh doch. »Ruf doch bei der Störungsstelle an!«

Dienstag. Das Spiel wiederholt sich, spätnachmittags besetzt, dann der Telekom-Service 1171 auf Band... Meine Stimmung schwankt zwischen Wut und Verzweiflung. Wohlmeinenden Freunden und Kollegen ist mittlerweile wieder eingefallen, daß ihr Telefon vor ein paar Monaten auch schon kaputt war und es durchschnittlich drei bis sechs Wochen dauert bis zur Reparatur.

Mittwoch. Ich habe den Wecker auf nachtschlafende Zeit gestellt und versuche seit 7.30 Uhr mein Glück bei 1-1-7-1. Endlich meldet sich jemand. Ich bin versöhnt mit der Welt. »Wir melden uns dann bei Ihnen.« Ich frage vorsichtshalber nach, wann der Kollege denn komme. »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Wir geben die Störung jetzt an das zuständige Fernmeldeamt weiter, und die rufen Sie dann an.« Achso. Warten bis Donnerstag abend. Alle Kollegen in der Redaktion wissen Bescheid, der wichtigste Anruf kommt vom Fernmeldeamt II. Nichts.

Freitag. Nachdem ich der Versuchung widerstanden habe, das heimische Telefon mit einem Hammer zu zertrümmern, fange ich wieder von vorn an. Besetzt, besetzt, besetzt... Zum Glück darf ich an diesem Wochenende arbeiten, so daß ich erreichbar bin für die Außenwelt.

Montag. Das gleiche Spiel von vorne? 1-1-7-1... Nachmittags reißt mir der Geduldsfaden und ich lasse mir die Pressestelle der Telekom geben, hochoffiziell als Pressevertreterin. »Guten Tag, ich bin Journalistin und recherchiere gerade, was man tut, wenn das Telefon kaputt ist.« Ganz beiläufig erwähne ich, daß ich von dieser brisanten Recherche selbst betroffen bin. »Kein Problem, Sie rufen die 1-1-7-1 an...« Schon bei der Erwähnung dieser Nummer sträuben sich sämtliche Haare. Zuckersüß flöte ich ins Telefon, ob die nette Kollegin schon einmal versucht habe, dort anzurufen. Kurzes Schweigen, Räuspern, nein, in letzter Zeit nicht, aber eigentlich sei das gar kein Problem. »Haben Sie ein Problem mit Ihrem Telefon?« Das Stichwort genügt, um meine angestaute Wut loszuwerden. Die Kollegin versichert, sich darum zu kümmern. Eine halbe Stunde später ruft das Fernmeldeamt an, am nächsten Tag kommt ein netter junger Mann und verkündet, nur das Kabel sei kaputt. Nach zehn Minuten ist alles vorbei. Bleibt lediglich ein winziger Rest von schlechtem Gewissen gegenüber »normalen« Telekom-Kunden: Irgend jemand muß jetzt noch länger warten, bis sein Telefon repariert wird. Kordula Doerfler