: Gewichtheben und Gesundheit
■ Bei den postanabolen Weltmeisterschaften der StemmerInnen fielen sogar Weltrekorde
Berlin (taz) — Als der Bund Deutscher Gewichtheber sich anläßlich seines hundertjährigen Bestehens eine Riesenfete ins Haus holte, wollte er der Welt vor allem zeigen: Gewichtheben ist wieder gesund. Im piekfeinen Donaueschingen begrüßen die Funktionäre deshalb zur Umrahmung ihres Jubiläums die besten StemmerInnen zu den Weltmeisterschaften. Dabei erwarten sie von den SchwerathletInnen gar keine kiloschweren Geschenke, sondern vor allem eins: die Männer und Frauen sollen sauber bleiben.
Nur dem Skandal um die sprintende Doping-Pille, Ben Johnson, verdankten es die Gewichtheber, daß sie nach den Olympischen Spielen 1988 in Seoul nicht schon von allen Heberbühnen verjagt wurden. Als bulgarische und ungarische Olympiasieger als Pillenschlucker entlarvt wurden, verließen die beiden Nationalteams panikartig das olympische Dorf, bevor auch ihre schwergewichtigen Stemmerfreunde enttarnt werden konnten. IOC-Präsident Samaranch fühlte die olympischen Ideale besudelt und drohte dem Gewichtheben mit der Streichung aus dem Programm von Barcelona.
Panikartig ging die internationale Heberföderation an die Säuberung ihrer Sportart: Als Therapie wurden erhöhte Strafen und verschärfte Kontrollen ausgesucht. Vor einem Jahr feierten die Gewichtheber dann in Budapest eine WM ohne Doping- Vorfälle. Daß die Siegerleistungen dabei sprunghaft um 10 bis 15 kg zurückgingen, störte kaum jemanden. Hauptsache, alle blieben sauber.
Trotzdem setzten die Doping- Doktoren ihre Therapie fort und konzentrierten sich 1991 auf Trainingskontrollen. Daraufhin verloren die 90er Weltmeister Vlad (Rumänien), Botew und Marinow (beide Bulgarien) die Lust und wanderten ins ferne Australien aus. Die drei sowjetischen Champions Kassapu, Orazdurdijew und Taranenko sagten wegen „Verletzungen“ ab. Offensichtlicher sind die „gesundheitlichen“ Probleme bei den Frauen: Als Italiens Heberinnen im Vorfeld der Weltmeisterschaft mehrmals beim Dopen ertappt wurden, sperrte der Verband das Team vorsichtshalber für die Titelkämpfe.
Um so überraschender erscheinen die teilweise großartigen Leistungen in den ersten WM-Konkurrenzen. Der bulgarische Fliegengewichtler Iwan Iwanow hievte in seiner Klasse einen neuen Weltrekord im Stoßen (155,5 kg) in die Höhe. Weitere vier Weltrekorde chinesischer Heber und Heberinnen ließen die Funktionäre des Gewichtheberverbandes vor Freude aufjauchzen. Es scheint ein richtig schönes Fest einer gesunden Sportart zu werden... bossi
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