Zaire sucht seinen „Jelzin“

Berlin (taz) — Als ein „wandelndes Bankkonto mit Leopardenfellmütze“ hat Frankreichs Staatssekretär für Humanitäres, Bernard Kouchner, den zairischen Staatschef Mobutu am Wochenende bezeichnet — und nun greift dieser auf ein altes machtpolitisches Manöver zurück: Er nimmt die Opposition in die Regierung auf. Die hatte noch im Juli ein solches Angebot abgelehnt. Doch am Samstag gab Oppositionsführer Karl I Bond bekannt, man habe sich nach fünfstündigen Verhandlungen auf eine Koalitionsregierung geeinigt. Die Minister sollten noch am Sonntag benannt werden. Etienne Tshisekedi, Führer der wichtigsten Oppositionspartei UDPS, soll Premierminister werden. Morgen soll die vor zehn Tagen abgebrochene Nationalkonferenz wieder tagen.

Die Einigung vom Wochenende folgt auf wachsende Spannungen in den Tagen zuvor. Am Donnerstag hatten zairische Soldaten in Kinshasa eine Demonstration, die den Rücktritt Mobutus forderte, gewaltsam auseinandergetrieben. Die Protestler waren daraufhin zur belgischen Botschaft gezogen. Sie forderten auch die Rückkehr des Oppositionspolitikers Antoine Gizenga aus dem Exil. Gizenga sagte daraufhin am Freitag in Brüssel, die Opposition sollte sich zu einer „Verweigerungsfront“ zusammenschließen und Mobutu friedlich stürzen. Diesem Ratschlag ist Zaires innere Opposition nun nicht gefolgt.

Weiterhin hatte die regimetreue Präsidialgarde am Freitag mit erneuten Plünderungen in Kinshasa begonnen. Auch von einer Meuterei im Armeelager Kokolo im Zentrum der Hauptstadt, das als gigantischer Schwarzmarkt dient, war die Rede. Gleichzeitig traf Mobutu auf seiner Jacht „Kamanyola“ die US-Botschafterin Melissa Wells, die ihn dem Vernehmen nach zu einer politischen Öffnung riet. Am Samstag war die Lage in Kinshasa wieder ruhig, nachdem das Kabinett über Radio erklärte: „Soldaten dürfen nicht in die Häuser der Leute eindringen und deren Besitz an sich nehmen.“

Mit dem Eintritt in die Regierung versucht die Opposition nun, nach der ausländischen Militärintervention die Initiative zu ergreifen. Karl I Bond hatte am Donnerstag das Ausland davor gewarnt, „einer toten Regierung Sauerstoff zu geben“. Doch herrscht nach Berichten aus Kinshasa in der Hauptstadt die Skepsis vor. „Wir haben noch keinen zairischen Jelzin, der zum Höhepunkt der Krise auf einen Panzer steigen könnte“, sagte ein Beobachter dem britischen 'Guardian‘.

Unterdessen wächst die Sorge vor einer Lebensmittelknappheit, welche wiederum Unruhen auslösen würde. Die EG hat zwei Millionen Mark für dringenden Nahrungsmittel- und Medikamentenbedarf bewilligt. Frankreich kündigte am Samstag an, die internationale Gemeinschaft zu mobilisieren. D.J.