Krieg spielen in der Heide

In Colbitz-Letzlingen will die Bundeswehr ihren zweitgrößten Manöverstandort einrichten/ Bürgerinitiativen protestieren/ Wasserversorgung von zehntausend Menschen gefährdet?  ■ Von Eberhard Löblich

Magdeburg/Colbitz (taz) — Wenn der Naturschutz und das Erholungsbedürfnis gestreßter Zivilisten der deutschen Verteidigungsbereitschaft im Wege stehen, dann wird's kompliziert.

So auch in der Colbitz-Letzlinger Heide in Sachsen-Anhalt, einem der größten zusammenhängenden Heidegebiete Deutschlands. Seit 1934 wird hier regelmäßig geschossen, erst von der Wehrmacht, seit 1945 von den Sowjet-Soldaten. Die Colbitz-Letzlinger Heide war bis zur deutsch-deutschen Vereinigung der größte Manöverstandort der Roten Armee in Deutschland. Und nun soll das Blumenareal zum zweitgrößten Kriegsspielplatz der Bundeswehr werden.

Brigadegeneral Heinz Prange, der Heeresbeauftragte Ost der Bundeswehr, entlarvte die Beschwichtigungsversuche seines Verteidigungsministers Gerhard Stoltenberg als glatte Lüge. Stoltenberg hatte stets behauptet, daß die Bundeswehr, wenn überhaupt, nur kleine Bereiche der Heide militärisch nutzen werde.

„Uns nutzt das Gelände nur etwas, wenn wir es komplett übernehmen können“, konterte Prange. Er glaubt, daß Soldaten mehr Recht aufs Heidegelände haben als die Bürger, die dort gern ein Naherholungsgebiet haben wollen. „Das Verteidigungsministerium hat auf dieses Gelände ja wohl ein Vorkaufsrecht“, behauptet Prange. „Schließlich ist die Heide schon seit 1934 Manövergebiet.“

Und: Die Bürger in der Gegend seien die Schießübungen ja gewohnt. Da macht es dann weniger aus, wenn ständig 3.000 Soldaten aller Waffengattungen dort weiterhin Krieg spielen — und dabei nach Ansicht Pranges auch noch aktive Umweltschützer sind. Das wollen die Bürger und Kommunalpolitiker rund um die Heide der Bundeswehr nicht glauben. Sie sehen nicht nur die Natur gefährdet, sondern auch das riesige Trinkwasserreservoir unter der Heide. „Jede Verseuchung gefährdet die Wasserversorgung Zehntausender von Menschen“, klagt Hans- Joachim Nahrstedt, Bürgermeister von Colbitz und Sprecher der Bürgerinitiative Colbitz-Letzlinger Heide. Bürger in Uniform wolle man deshalb in diesem Umfang nicht in der Heide sehen. „Diese Standortentscheidung würde verhindern, daß in Colbitz ein geplantes Klinikum mit mindestens 250 Arbeitsplätzen entsteht“, behauptet Nahrstedt.

Er setzt auf die Wasserversorgung. In einem Schreiben an alle Fraktionen hat Nahrstedt die Landtagspolitiker aufgefordert, die Colbitz-Letzlinger Heide zum Wasserschutzgebiet zu erklären und damit die Möglichkeit zu nutzen, die das Wasserhaushaltsgesetz des Bundes quasi als Notbremse bietet: nämlich „bestimmte Handlungen zu verbieten oder für nur beschränkt zulässig zu erklären“.