Protest gegen Pogromstimmung

■ Ärger im Frankfurter Römer um eine vom Grünen Cohn-Bendit angeregte Kundgebung gegen Ausländerfeindlichkeit für den Abend vorm Nationalfeiertag

Daniel Cohn-Bendit, Multikulturdezernent in Frankfurt, hatte die Idee: Am Vorabend des neuen Tages der deutschen Einheit — am 2. Oktober — sollte die Stadtverordnetenversammlung nach den Vorstellungen des Grünen für eine Stunde die Sitzung unterbrechen, um auf dem Römerberg mit allen FrankfurterInnen zu demonstrieren, „daß alle Menschen, die in Deutschland und in Frankfurt leben, unter dem Schutz des Grundgesetzes und der Frankfurter Bevölkerung stehen“.

In einem offenen Brief an den Stadtverordnetenvorsteher, die Fraktionsvorsitzenden der Parteien und den Oberbürgermeister begründete Cohn-Bendit seinen Vorstoß damit, daß „angesichts der entsetzlichen Vorgänge in Hoyerswerda, Saarlouis und anderswo“ von Stadtverordnetenversammlung und Magistrat ein unzweideutiges Bekenntnis zum Grundgesetz abgelegt werden müsse. Cohn-Bendit: „Die Toten von Saarlouis und Dresden sollten Anlaß genug sein, zu demonstrieren, daß wir bereit sind, die demokratischen Errungenschaften in diesem Land aktiv zu verteidigen.“

Die demokratischen Parteien im Römer aber konnten sich bisher nicht zu einer gemeinsamen Kundgebung durchringen. Am Donnerstag abend gab es im Ältestenausschuß heftigen Streit um die Form des Protestes. Die CDU-Opposition drohte mit geschlossenem Austritt aus der Sitzung des Stadtparlaments, sollten SPD und Grüne am kommenden Mittwoch auch für nur kurze Zeit den Römer verlassen. CDU-Fraktionschef Hemzal beteuerte, die Stadtverordneten seien „auf das Mittel der Demonstration nicht angewiesen“. Der Aufruf Cohn-Bendits, ohne Magistrat und Parlament befragt zu haben, sei „unerträglicher Stil“.

Cohn-Bendit betonte, daß er „keine Gegenveranstaltung“ zu den Feierlichkeiten angeregt habe. Aber „viele Bürgerinnen und Bürger haben mich gedrängt, eine Initiative zu ergreifen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, ihr Entsetzen vor einer beginnenden Pogromstimmung gemeinsam ausdrücken zu können“. Der Multikulturdezernent wird inzwischen sowohl vom DGB als auch von dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt, Ignaz Bubis, dem Evangelischen Regionalverband und dem Initiativausschuß für ausländische Mitbürger unterstützt. Nach anfänglichen Bedenken vor allem seitens des Stadtverordnetenvorstehers Hans Busch unterstützt auch die SPD das Vorhaben.

Wie aus dem Amt für Multikultur zu erfahren war, werde die Veranstaltung am 2. Oktober auf dem Römerberg um 18 Uhr „auf alle Fälle“ stattfinden. „Wir können und werden es nicht schweigend hinnehmen, daß in Deutschland Menschen wegen ihrer Hautfarbe oder Herkunft sterben müssen.“ Klaus-Peter Klingelschmitt