Erneut Anschläge auch im Westen

■ Auch im Westen der Republik häuften sich am Wochenende wieder die Übergriffe Rechtsradikaler gegen Sammelunterkünfte von Flüchtlingen und Ausländerwohnheime

Letztes Wochenende haben sie die Asylbewerber aus Hoyerswerda vertrieben. An diesem Wochenende zeigten die Ausländerhasser vor allem in Westdeutschland, daß Flüchtlinge sich hier ihres Lebens nicht mehr sicher sind. Von Freitag bis Sonntag registrierte die Polizei über zwanzig Anschläge auf Sammelunterkünfte und Wohnungen im Saarland, in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Aus Nordrhein-Westfalen wurden gleich reihenweise Anschläge gemeldet.

Im Ruhrgebiet kam es allein in der Nacht zum Samstag zu sechs Anschlägen. In Marl und Datteln griffen Vermummte fast zeitgleich ein Wohncontainer-Dorf und eine Schule mit Molotowcocktails an. Zweimal versuchten die Täter in Datteln, in der als Sammelunterkunft genutzten Schule, Brände zu legen. In Recklinghausen zogen etwa 25 Jugendliche mit Hetzparolen, Knüppeln und Steinen vor ein Wohnheim asylsuchender Roma und Sinti. Sie schmissen Scheiben ein und schleuderten Brandsätze. Die Polizei nahm im Ruhrgebiet 13 Verdächtige fest. Brandsätze beschädigten außerdem in Issum am linken Niederrhein und im benachbarten Kerken Ausländerunterkünfte. In Herford schleuderten teils vermummte Jugendliche Steine und Brandsätze gegen russische Aussiedler. Die Polizei überprüfte die Personalien von 15 Leuten und nahm einen 15jährigen vorläufig fest. Im nicht weit entfernten Steinhagen legten Unbekannte einen Brandsatz an einem von IndonesierInnen bewohnten Container.

Während bei den Angriffen in Nordrhein-Westfalen niemand verletzt wurde, bekam ein Kind in Edemissen (Kreis Peine) am Sonntag Glassplitter ab, nachdem mehrere Leute Steine in zwei Wohnungen von AsylbewerberInnen geschmissen hatten und unerkannt wieder verschwunden waren. In Klein-Burgwedel bei Hannover zündeten die Ausländerfeinde am frühen Sonntag einen Altpapierhaufen vor einem Asylbewerberheim an. Das Feuer griff auf das Haus über, ein Ehepaar mit vier Kindern blieb jedoch unverletzt. In Meckelfeld wurden zwei türkische Familien in ihren Wohnungen mit Feuerlöschern attackiert. Die Polizei erwischte niemanden. In Haffkrug bei Kiel konnte sie dagegen sieben Rechtsradikale aus einer Gruppe von Skinheads festnehmen, die Scheiben eines Flüchtlingsheims zerdeppert hatten. Im Saarland verwüsteten Ausländerhasser mit Eisenstangen die Wohnung einer Flüchtlingsfamilie in Saarbrücken- Dudweiler.

Zehn Täter zerstörten in Altenow (Brandenburg) Scheiben und Türen in einem von Rumänen und Vietnamesen bewohnten Haus. In Pätz griffen sechs Rechte ein Ausländerwohnheim an, fünf von ihnen wurden verhaftet. Leuchtgeschosse und Brandsätze flogen in Reichenbach und Chemnitz (Sachsen) gegen zwei Ausländerwohnheime. In Leipzig räumte die Polizei ein Heim nach Auseinandersetzungen zwischen Mosambikanern und Rumänen. Etwa 60 Neonazis, die sich vor dem Heim versammelt hatten, hielten sich diesmal zurück. In Sachsen-Anhalt verängstigten Ausländerfeinde die Bewohner eines Heims in Weißenfels mit Schreckschußpistolen.

Diese Woche will Bundespräsident Richard von Weizsäcker mehrere Ausländerunterkünfte besuchen. Während sich die Parteien weiter über das Asylrecht stritten, bezeichnete Heinz Galinski, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, die Gewalttaten vom Wochenende als „Schande für Deutschland“. Bettina Markmeyer