Bremer SPD so schlecht wie noch nie

Erdrutsch bei den Wahlen zur Bremer Bürgerschaft für die Sozialdemokraten/ Erfolg für die CDU und die rechtsradikale DVU/ FDP und Grüne nahezu stabil/ Koalitionsfrage noch offen  ■ Aus Bremen Dirk Asendorpf

Die zwanzigjährige Alleinherrschaft der SPD ist gestern abend in Bremen zu Ende gegangen. Mit einem Verlust von über 10 Prozentpunkten rutschten die Sozialdemokraten weit unter die absolute Mehrheit, an die sie sich seit 1971 gewöhnt hatten.

Doch nicht nur die SPD, auch CDU, FDP und Grüne gehören zu den Bremer Wahlverlierern. Zusammen hatten sie darum geworben, der rechtsextremen Deutschen Volksunion (DVU) nicht wieder zum Einzug in den Bremer Landtag zu verhelfen. Die Partei des Münchener 'Nationalzeitungs‘-Herausgebers Gerhard Frey hatte vor vier Jahren zum ersten Mal den Sprung in die Bürgerschaft geschafft. Damals jedoch nur durch eine Besonderheit des Bremer Wahlrechts: Ganze 3.700 Wählerstimmen in Bremerhaven hatten ihr gereicht, um im kleineren Teil des Zwei-Städte-Staats 5,4 Prozent zu erringen und damit einen einzigen Sitz in der Bürgerschaft zu bekommen. Nachdem die DVU gestern landesweit die Fünf-Prozent- Marke übersprang, wird sie künftig sogar in Fraktionsstärke im Bremer Landesparlament vertreten sein.

„An einer grünen Regierungsbeteiligung führt jetzt kein Weg mehr vorbei“, kommentierte bereits kurz nach der ersten Hochrechnung der grüne Spitzenkandidat Ralf Fücks das Wahlergebnis. Er kann sich sogar eine Ampelkoalition nach dem Vorbild Brandenburgs vorstellen. Auch die Bremer FDP hatte sich bereits vor der Bürgerschaftswahl klar zur Koalitionsbereitschaft mit der SPD bekannt. Spitzenkandidat Claus Jäger schloß nach dem Wahlergebnis auch eine Ampelkoalition nicht mehr aus. Der SPD-Landesvorstand will heute über Koalitionsangebote beraten.

Der große Verlierer dieser Wahl, Bremens Bürgermeister Klaus Wedemeier, machte in einer ersten Stellungnahme die „ausländerfeindliche CDU-Propaganda“ für den rechtsextremen Wahlerfolg in Bremen verantwortlich und erteilte damit indirekt einer großen Koalition die Absage. Auch er liebäugelt jetzt mit einer Ampelkoalition, deren Zustandekommen und Funktionieren er sich erst am Freitag in einem Vier- Augen-Gespräch vom brandenburgischen Ministerpräsidenten Stolpe erklären ließ.

Die CDU ist nach ihrem Wahldebakel vor vier Jahren, als sie auf 23 Prozent abgerutscht war, gestern wieder auf ihre normale Stärke von gut 30 Prozent zurückgekehrt. Für eine völlige Ablösung der SPD aus der Bremer Regierungsverantwortung wird es jedoch damit noch lange nicht reichen. Der CDU-Landesvorsitzende und parlamentarische Staatssekretär Bernd Neumann feierte das CDU-Ergebnis gestern abend trotzdem als „sensationell guten Erfolg“.

Bundespolitische Themen hatten im Bremer Wahlkampf kaum eine Rolle gespielt. Lediglich 17 Prozent gaben in einer Umfrage vor den Wahllokalen an, daß die Bundespolitik für ihre Entscheidung wichtig gewesen sei. Gleichzeitig hielten jedoch 44 Prozent das Thema Asyl für „sehr wichtig“ und weitere 45 Prozent für „wichtig“ bei ihrer Wahlentscheidung. Noch im Sommer hatten es in einer Forsa-Umfrage lediglich 11 Prozent für wichtig erachtet.

Der deutliche Stimmengewinn für die rechtsextreme DVU steht im Gegensatz zur Untätigkeit ihres Abgeordneten Hans Altermann. Er hatte sich in den vergangenen Jahren nur sehr selten und dann auch nur zu kurzen, von seiner Münchener Parteizentrale vorformulierten Sätzen zu Wort gemeldet. Auch außerhalb des Parlaments war die DVU in den vergangenen vier Jahren nicht in Erscheinung getreten. Lediglich in den Wochen vor der Wahl hat sie mit Millionenaufwand in Hauswurfsendungen, mit Flugzeugreklame und flächendeckender Plakatierung um Stimmen von ProtestwählerInnen geworben.

Bonn (dpa) — In Bonn waren die Reaktionen auf das Wahlergebnis sehr unterschiedlich. CDU-General Volker Rühe verlangte von der SPD, jetzt endlich über die Asylfrage nachzudenken. Die SPD habe ihr erstes „Engholm-Ergebnis“ eingefahren. Grünen-Sprecher Volmer sprach sie für eine rot-grüne Koalition aus. Die FDP-Generalsekretärin warf der SPD vor, mit ihrer Politik in der Asylfrage den Rechtsradikalen in die Hände gespielt zu haben. Sie attesierte ihrer Partei „hohes Niveau“.