SPD geht in Bremen tief in den Keller

■ Sozialdemokraten ob ihrer Wahlniederlage erschüttert/ Koalitionsfrage noch ungeklärt/ CDU strahlt/ Rechtsradikale DVU ist in der Bürgerschaft vertreten

Berlin/Bremen (taz/dpa) — Mehr als 8 Prozent der Stimmen für rechtsradikale Parteien, davon rund 6 Prozentpunkte für die Deutsche Volks- Union: mit diesem Ergebnis hatte in Bremen offenbar niemand gerechnet. Die SPD rutschte so tief in den Keller wie nie. „Ein Debakel“, konstatierten Bremer SPD-Vertreter schon eine Minute nach Schließung der Wahllokale um 18.00 Uhr. Die SPD fuhr bei den Wahlen das schlechteste Wahlergebnis seit dem Krieg ein. Sie stürzte um rund 12 Prozentpunkte ab und dürfte etwa 14 Sitze weniger als bisher in der Bürgerschaft erhalten.

Als „eine Katastrophe für die SPD in Bremen“ bezeichnete der SPD- Spitzenkandidat und Bremer Regierungschef, Klaus Wedemeier, das Ergebnis seiner Partei bei der Bürgerschaftswahl. Partei, Fraktion und der Senat werden sich nach seinen Worten so schnell wie möglich in den nächsten Tagen zusammensetzen und das Ergebnis analysieren. Schuld an diesem Debakel sei vor allem die ausländerfeindliche Propaganda von CDU und DVU. Wedemeier zeigte sich „bitter enttäuscht“. Senat, Fraktion und Partei hätten in der Vergangenheit gemeinsam Fehler begangen, die aufgearbeitet werden müßten. Er selbst habe mit dem Verlust der absoluten Mehrheit gerechnet, aber nicht mit einem solchen Rutsch. Es seien offenbar viele Wähler zu Hause geblieben, die sonst die SPD gewählt hätten. Der CDU sei es im Gegensatz dazu gelungen, ihre Wähler zu mobilisieren.

Auch SPD-Landeschefin Ilse Janz zeigte sich in einer ersten Reaktion „tief erschüttert“ über das Abschneiden der Sozialdemokraten. Die Grünen waren trotz ihres guten Ergebnisses ob des großen Erfolges für die rechtsradikale DVU konsterniert. Die rechtsradikale Gruppierung, die erstmals landesweit die Fünfprozenthürde übersprang, werden voraussichtlich mit sechs Abgeordneten in das Parlament einziehen. Trotzdem schloß man bei den Grünen eine Koalition mit der SPD, wie zuvor angekündigt, nicht aus. Ralf Fücks von den Grünen meinte, die SPD müsse bei einer Koalition auch zu einer ökologischen Umstellung in der Stadtpolitik bereit sein. Der Sprecher des Bundesvorstandes der Grünen, Volmer, hat den Ausgang der Bremer Wahl als ein gutes Ergebnis für seine Partei bezeichnet, das durch eine konsequente ökologische und soziale Stadtpolitik errungen worden sei. Er plädierte für eine Koalition mit der SPD. Volmer erklärte, für die SPD habe es sich nicht ausgezahlt, daß sie in der Asylfrage rechten politischen Kräften hinterhergerannt sei.

Fraglich blieb gestern abend allerdings, ob eine SPD-FDP-Koalition überhaupt rechnerisch möglich ist. Gegen 19.00 Uhr hielten den Hochrechnungen zufolge Grüne und SPD zusammen 52 Sitze in der 100köpfigen Bremer Bürgerschaft. „Wenn die Sitzverteilung es zuläßt, werden wir uns der Regierungsverantwortung nicht entziehen“, hieß es aber auch bei den Freien Demokraten. Eine Ampelkoalition schloß Claus Jäger von der FDP wegen zu großer Unterschiede der Positionen aus.

SPD-Spitzenkandidat Klaus Wedemeier äußerte sich kritisch, ob eine rot-grüne Koalition angesichts einer nur denkbar geringen Mehrheit überhaupt sinnvoll sei. Wedemeier will in den nächsten Tagen mit allen im Bremer Parlament vertretenen „demokratischen Pareien“ Gespräche führen. Es solle eine möglichst breite Basis für die Regierungsbildung gefunden werden.

Der CDU-Chef von Bremen, Neumann, zeigte sich erwartungsgemäß begeistert. „Die CDU kann sich freuen“, so Neumann. Über mögliche Koalitionen wollte Neumann sich zunächst nicht äußern — dafür aber war er schnell mit einer Analyse über die SPD dabei: Die Bonner Sozialdemokraten seien es, die für die Niederlage der SPD verantwortlich seien. Die Bremer CDU habe dank Bundeskanzler Kohl gewonnen. Der CDU-Spitzenkandidat Noelle äußerte sich ähnlich. In erster Linie allerdings sei das Ergebnis Folge des lokalen Wahlkampfs in Bremen. Der Sparkassendirektor und politische Seiteneinsteiger betonte, daß er natürlich weiter in der Politik aktiv bleiben werde.

Erschüttert aber auch ratlos äußerten sich Bremer Bürger vor dem Bremer Rathaus über den Wahlerfolg der DVU. SPD-Verlust und CDU-Erfolg waren auf der Straße kaum ein Thema.