Wo selbst Kohl ein Zwerg ist

Wenn am 1. Januar 1993 der Europäische Binnenmarkt seine Tore öffnet, sollen für lange Menschen auf unserem Kontinent goldene Zeiten anbrechen.

Der niederländische „Klub Lange Mensen“ und die Stiftung „Languit“ stellten kürzlich in Rotterdam die Weichen und gründeten gemeinsam mit „Langen“ aus anderen europäischen Ländern die „European Federation of Tall People“. Ziel des Verbands ist es, die vernachlässigten Interessen aller langen EuropäerInnen zu vertreten. Wie notwendig das ist, wurde am vergangenen Wochenende auf dem Südtreffen des deutschen „Klubs Langer Menschen“ in Mannheim deutlich. Lange Kinder haben es schon in der Schule schwer, werden mit Fragen („Deine wievielte Ehrenrunde ist das denn?“) getriezt. Ist dann endlich der/die passende PartnerIn gefunden, geht das große Grauen weiter. Lange Frauen (ab 1,80 m) und lange Männer (ab 1,90) haben es schwer, das passende Bett zu finden. Überschreitet ihr Maß 2 Meter, hilft nur noch eine teure Spezialanfertigung. Mittlerweile, so ein Langer, gebe es wenigstens ein paar Bekleidungshäuser und Schuhgeschäfte, die spezielle Artikel für Lange führen, etwa Elbkähne ab 46 bis 52. Aber auch im Haushaltsalltag lauert das Problem für die Langen an jeder (Küchen-)Ecke: Die Arbeitsplatte ist zu tief, die Kloschüssel muß höher gesetzt werden, ein neuer Spiegelschrank muß her.

In den fünfziger und sechziger Jahren, als der Anteil der Langen an der Gesamtbevölkerung der BRD gerade zwei bis drei Prozent ausmachte (heute sieben bis acht Prozent), traute sich eine große Anzahl langer Frauen gar nicht erst nach draußen. Sie wurden ständig angemacht, das Ziel derber Sprüche. „Wir haben die quasi aus den Wohnungen herausholen müssen“, weiß ein Wormser Langer zu berichten, der eine „bildhübsche 37jährige“ kennt, die seit Jahren nicht aus dem Haus gegangen ist. Sein eigenes Auto mußte der Rheinhesse umbauen lassen, die Gleitschienen des Sitzes wurden nach hinten verlängert. olche Sorgen haben PolitikerInnen nicht, sie lassen sich fahren. Allen voran der kleine Lange aus Oggersheim („Der ist ja nur 1,90 m“), der kein Mitglied im Klub Langer Menschen ist, wie überhaupt kaum Promis aus Politik, Sport und sonstige VIPs der noch schwachen Langen-Lobby angehören. In den sechziger Jahren bemühten sich die Langen um eine Gesetzesänderung. Steuervorteile waren das angestrebte Ziel, weil sie alles so viel teurer bezahlen müssen. Aber das Ansinnen wurde abgelehnt. Außerdem hätten die Langen dann als Schwerbehinderte gegolten, und als solche fühlen sie sich selbst bei aller Länge nicht. Günter Rohrbacher-List