: Niederlage der Sozialdemokraten in Bremen hausgemacht
■ Die Verärgerung über Fehlleistungen des SPD-Senats in Sachen Wohnen und Verkehr, in der Frage des Asylrechts und des „Genossenfilz“ verursachte die Abwanderung
Bei der niedrigsten Wahlbeteiligung seit 1947 (72,2 %) hat es bei den Bremer Landtagswahlen am Sonntag einen politischen Erdrutsch gegeben: Die SPD rutschte von 50,5 auf 38,8 Prozent ab, die CDU stieg von 23,4 auf 30,7 Prozent. Grüne (11,4 %) und FDP (9,5 %) blieben weitgehend stabil. Auf 28.668 Stimmen hat dagegen die rechtsradikale DVU ihre Stimmenzahl gegenüber 1987 verdoppelt. Sie kam landesweit auf 6,2, in Bremerhaven sogar auf 10,1 Prozent. Daraus ergibt sich folgende Verteilung der 100 Bürgerschaftsmandate: SPD 41, CDU 32, Grüne 11, FDP 10, DVU 6.
Nach einer Infas-Analyse war die schwere Wahlniederlage der SPD ein hausgemachtes Debakel. Gleichzeitig signalisiere die Wahl auch die Distanz zu den Volksparteien. SPD und CDU zusammen vermochten diesmal nicht einmal 70 Prozent der gültigen Stimmen und weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten an sich zu binden.
Der Niedergang der Bremer SPD ist in jüngerer Zeit nur vergleichbar mit der Niederlage der Westberliner SPD im Dezember 1990 und der Frankfurter CDU bei den Kommunalwahlen von 1989. Gegenüber dem Frühjahr war das bundesweit brisante Steuerthema abgeflaut, das die CDU-Verluste in Rheinland- Pfalz und Hamburg mitbestimmt hatte. Im Bremer Wahlkampf ging es nach Meinung von 63 Prozent der Wahlbürger um bremische Themen. Es fehlte der allein regierenden SPD aber der mitreißende Schwung. Sie vermochte nicht — wie es der Hamburger SPD gelungen war — die wirtschaftlichen Aufschwungtendenzen ins rechte Licht zu setzen. So dominierte Verärgerung über manche Fehlleistungen des Senats in den Bereichen Wohnen und Verkehr und über den „Genossenfilz“.
Eine besondere Rolle hat laut Infas das Asylthema gespielt. Die WählerInnen stimmten zwar der Initiative ihres Bürgermeisters in der Asylfrage in der Sache mit 81 Prozent zu, trauten aber den Sozialdemokraten die Kraft zur Umsetzung nicht zu (43 Prozent). Auf diese Weise wurde in den letzten Wochen und Tagen das latente Rechtspotential unter den Wählern neu belebt.
Insgesamt hat die SPD von ihren knapp 200.000 Stimmen des Jahres 1987 über 53.000 eingebüßt. In den Bewegungen zwischen den Parteien hat die SPD im Saldo Verluste an die CDU in Höhe von fast 12.000 Wählern, an die FDP von rund 5.000, an die Grünen von rund 4.000 Wählern zu verzeichnen. Die Abwanderungen von der SPD zur DVU liegen bei über 5.000 Wählern. Das sind deutlich mehr, als die DVU den anderen Parteien abgenommen hat. Die DVU hat damit gerade in den alten SPD- Hochburgen zumeist über 10 Prozent der Stimmen sammeln können, wurde jedoch auch in bürgerlichen Wohnvierteln gewählt. Nur im Bremer Oster- und Steintor, in dem die Grünen mit über 30 Prozent stärkste Partei waren, blieb die DVU weit unter fünf Prozent. In der Summe haben die in Bremen regierenden Sozialdemokraten ungefähr gleich viele Stimmen an die Bonner Regierungsparteien verloren (rund 16.000), wie sie durch Proteststimmen zur radikalen Rechten oder in die Wahlenthaltung eingebüßt haben.
Die politische Landkarte hat sich durch die unterschiedlich starken Verschiebungen in den Hochburgen der Parteien seit 1987 deutlich anders eingefärbt. Hatte die SPD damals noch in 20 der 102 Ortsteile mit über 60 Prozent weit vor allen Wettbewerbern gelegen, gibt es heute gerade noch fünf Ortsteile mit mehr als 50 Prozent. Die CDU war vor vier Jahren in zehn Quartieren stärkste Partei gewesen, diesmal führt sie das Feld in 20 Fällen an. Die Grünen haben die Sozialdemokraten heute in sieben Ortsteilen überflügelt, 1987 war ihnen das nur in einem Fall (Steintor) gelungen.
Die Wahltagsbefragung belegt, daß die DVU-Präferenzen unter den Arbeitern bei rund zwölf Prozent und damit weit vor allen anderen Berufsgruppen liegen. Die feinräumige Analyse nach Stimmbezirken weist Schwerpunkte vor allem in den Großsiedlungen (mit über neun Prozent in beiden Landesteilen) und in einfachen Wohngebieten aus.
Noch stärker ins Auge fallen die alters-und geschlechtsbezogenen Unterschiede im Wahlverhalten. Auch in Bremen sind es vor allem die jüngeren Männer (bis 35 Jahre), die DVU und Republikanern Sympathie entgegenbringen. Besonders gering sind rechtsradikale Neigungen dagegen bei den jüngeren Frauen. Trotz des Bremer DVU-Erfolges sind weiterhin Stuttgart, Köln und München die rechtsextremen Hochburgen in der Bundesrepublik. Ase/dpa
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