SPD: Da zuckt nur noch der Kopf

■ Augen zu und durch die Koalition, sagt die Parteispitze, aber es rumort in der SPD

Keine zwölf Stunden war es her, daß die Bremer SPD die größte Wahlniederlage ihrer Nachkriegsgeschichte hinnehmen mußte, da blies der Landesvorstand schon wieder zu den Koalitionsverhandlungen. Business as usual in einer machtverwöhnten Partei, die das Ausmaß ihrer eigenen Niederlage offenbar noch nicht erkannt hat. Das fette Huhn SPD ist geschlachtet worden, und jetzt „zuckt nur noch der Kopf“, beschrieb gestern ein Genosse die Lage.

Der schöne Schein, daß die Wahlniederlage in erster Linie auf Vermittlungsprobleme zurückzuführen sei, bekommt erste Schatten. Einem Teil der Basis wird nach dem ersten Schock ein Ausmaß innerparteilicher Fehler sichtbar, deren Ausmaß „mit tiefem Erschrecken“ wahrgenommen wird. Die forschen Bemühungen, die nächsten vier Jahre eine sozialdemokratische Regierung in einer Koalition zu sichern, kommen einigen Genossen zur Stunde viel zu schnell auf den Tisch.

Parteivize Horst Isola beispielsweise kam „halb betäubt aus der Wahlnacht“. In einer ersten Analyse hat er seiner Partei eine „tiefgreifende Glaubwürdigkeits-und Legitimationskrise“ bescheinigt, „deren Ursachen weit über die letzte Legislaturperiode hinausgehen.“ „Wir hätten die Wahl auch ohne das Thema Asyl verloren“, konstatiert Isola trocken, und sein Parteikollege Wolfgang Grotheer fand gestern gleich eine ganze Latte von Themen, die zum Vertrauensbruch zwischen SPD und Wählerschaft geführt haben: Untersuchungsausschüsse, Abriß des Senats-Gästehauses, die Kostenexplosion beim Kongreßzentrum: Alles Vorfälle, „die von der Arroganz der Macht zeugen und jetzt rücksichtslos in der Partei benannt werden müssen.“

Es brodelt heftig in der SPD, und die Kritik hört sich nicht überall so fein an, daß sie zitierfähig wäre. Das Wahlergebnis sei die Konsequenz einer Kette von politischer Instinktlosigkeit, von Skandalen und der systematischen Verprellung von Wählern. Von einer „Erneuerung der Partei“ wird da schon laut geredet, von „Neuem Denken“ (UB-Ost- Vorsitzende Wischer) und neuen Strukturen.

„Ich würde mir wünschen, die Partei müßte nicht sofort wieder die Regierung stellen“, sagt die sozialdemokratische Bürgerschaftsabgeordnete Elke Steinhöfel. Es sei an der Zeit, darüber nachzudenken, wie sich Behäbigkeit und Machtgewöhnung in der SPD ausgebreitet hätten. „Wir müssen darüber reden, ob wir bestimmte Ämter einfach schneller weitergeben“, erklärte sie, ohne dabei das „grün-ausgelutschte Wort Rotation“ zu gebrauchen, und Isola schlägt gar vor, bestimmte Partei-Kandidaten künftig von der Bevölkerung vorschlagen zu lassen.

„Wir müsen aber auch darauf dringen, daß die Grundsätze unserer Politik fortgeführt werden. Wir müssen jetzt den ökologischen Umbau betreiben, jetzt eine bevölkerungsnahe Verkehrs- und Stadtpolitik machen.“ Das setze allerdings eine rot-grüne Koalition voraus. „Wenn die SPD mit der FDP geht, bleibt der Regenerationsprozeß aus.“

Die Marschrichtung wurde am Montagabend bei einem Treffen der Ortsvereinsvorsitzenden des UB-Ost bestätigt: Gegen Ampelkoalition, für rot-grün. Und auch über Personal müsse man reden, sind sich die Parteikritiker einig. Aber: „Es gibt kein Alternative“, schlucken sie den Verlierer Wedemeier, auf den immerhin der ganze Wahlkampf abgestimmt war. Die Decke ist denkbar dünn: „Das Personal ist die Gesamtpartei“, erklärte der Landesvize Isola. Markus Daschner