Welcome to Hallucinations

■ Der Schamane Terence McKenna spricht über halluzinogene Pflanzen

Ein einziges Mal nur habe ich Terence McKenna deprimiert erlebt. Das war, als er den Gedanken äußerte, es könne ein Mensch sterben, ohne je ein markantes psychedelisches Erlebnis gehabt zu haben. Viele Leute können hellsehen, Terence kann hellsprechen. Daß er bei gewissen Anlässen drei Dutzend neue Naturgesetze in radikal obskuren Milchstraßen auf einmal entdeckt, ist die eine Sache, die im Prinzip jeder und jede nachvollziehen kann. Die andere, auf lange Sicht bedeutendere Sache ist Terences Bereitschaft, seine Entdeckungen auch zu artikulieren, und koste es, daß seine fesselnden Erzählungen ihm selbst unglaublicher erscheinen als seinem inzwischen recht zahlreichen Publikum.

Ein Interviewer des 'L.A. Weekly‘ fragte ihn unlängst, welches denn die organisch-planetarischen Werte seien, die jenseits des Konsumdenkens liegen. Terence antwortete: »Nun, das Leben hat Vorrang, vor dem Tod brauchen wir uns nicht zu fürchten, die Sexualität ist die Glorie der Lebenserfahrung und so weiter und so fort...«

Pilzpioniere wie Terence McKenna unternehmen den Versuch, die versunkenen Fähigkeiten des halluzinogenen Lesens und Schreibens wiederzubeleben. Kein Wunder, daß er sich dabei an die Ränder der Zivilisationswalze begeben hat, dorthin, wo die pflanzliche Trance-Kommunikation nicht als pathologische Irrung verpönt, sondern als konstituierend für das Wohl der Gemeinschaft angesehen wird. Die Abholzung des tropischen Regenwaldes bedroht auch die biologische Basis der »Wahren Halluzinationen«. Um zu retten, was zu retten ist, hat Terence McKenna in Hawaii einen tropischen Wundergarten angelegt. Seine Stiftung »Botanical Dimensions« hat sich zum Ziel gesetzt, Pflanzen mit schamanischer oder naturheilkundlicher Geschichte zu sammeln, zu studieren und zu verbreiten.

Weil zwei Menschen sich voneinander unterscheiden wie ein Biber von einer Brombeere, werden zwei psychedelische Exkursionen nie gleich ausfallen. Aber ans örtliche Lagerfeuer zurückzukommen und die Reisetagebücher zu vergleichen, gehört vom Paläothikum bis zur Neuzeit zu den befriedigendsten gesellschaftlichen Ereignissen der Gattung Homo sapiens und ist ein Schlag ins Gesicht jeder depressiven Geschichtsphilosophie. Die Zukunft hat schon seit alters her die Vergangenheit umspukt mit ihren astralen Rätseln von Erlösung und Vollkommenheit. Jetzt, gegen Ende der Zeitspirale, hören sie auf, Rätsel zu sein. Kein Unbewußtes verbirgt sich mehr in den apokalyptischen Talaren von Bewußtseinsrichtern, die nie mehr zu sagen hatten als die Spielkarten aus Alice im Wunderland. Psychedelische Erkenntnisse sind gelegentlich schreckenerregend, weil sie die Zuckerschicht entfernen, mit der wir unsere routinierten Reflexe, unsere kleinpsychologischen Krämer- und Sandkastenspiele umgeben haben, statt daß wir aufwachen und den Planeten streicheln, der sich schüttelt wie ein nasser Hund auf der Intensivstation. Andererseits hat jede noch so mikroskopische Verrichtung weltweite Folgen, wenn sie mit Sorgfalt ausgeführt wird. Gleich dem Schmetterling, der sich nur von seinem Kirschbaum in Tokio zu erheben braucht, um das Wetter in San Francisco zu beeinflussen, so werden unter der Pilzwolke des reinen Herzens aus dem Gießen von Balkonbegonien und dem Halten von zärtlichen Händen Akte von homöopathischer Magie. Mit anderen Worten: Diese Pilze können gefährliche psychotische Symptome bei denen hervorrufen, die sie nicht nehmen.

Während Passagiere ohne psychedelische Software die Abgründe zwischen dem Offensichtlichen und dem Absurden für katastrophal unüberbrückbar halten, besteigen unbefangene Beobachter wie Terence McKenna ihre kognitiven Surfbretter, um auf den letzten aufbäumenden Flutwellen mit Pilzeshilfe elegant ins Abendrot zu gleiten. Micky Remann

20 Uhr, UFA-Fabrik