Gottes Torero

Madrid (dpa) — Das Ereignis brachte mehr Leute auf die Beine, als sich je beim sonntäglichen Gottesdienst blicken lassen. 1.500 Zuschauer ließen sich die Attraktion nicht entgehen und füllten am Montag abend das Rund der Arena in Titulcia, einem 800-Seelen-Dorf 40 Kilometer südlich von Madrid. Sie feuerten den Pfarrer Angel Rodriguez Tejedor (55) an, den einzigen Stierkämpfer unter Spaniens Geistlichen.

„Don Angel“, der vor 24 Jahren zum erstenmal einem Stier in der Arena gegenüberstand, vergaß die Diskussionen, die seine außeramtliche Tätigkeit jenseits der Pyrenäen ausgelöst hat. Im vergangenen Juli forderte die französische Tierschützergruppe „Notre Dame de Toute Pitie“ den Vatikan auf, den Pfarrer ernsthaft zu ermahnen, weil er sich „zum Henker von unglückseligen Tieren“ mache. Doch der Heilige Stuhl hatte nicht reagiert.

Und so hängte der kahlköpfige, leicht rundliche Gottesmann für zwei Stunden seine Soutane an den Nagel und trat unter dem Jubel der Dorfbewohner und vieler neugieriger Auswärtiger, mutig das rote Tuch schwenkend, einem Jungstier entgegen. Angefeuert von den Rufen „Los, los, Maestro“, machte er keine schlechte Figur, meinten hinterher die Experten.

Erst als die „Stunde der Wahrheit“ nahte, verließ den Amateur- Torero der Mut: Das Töten des Tieres überließ er einem seiner Helfer. Zu gut war ihm in Erinnerung, daß er sich bei seiner letzten „Corrida“ im September 1990 den Fuß so verletzt hatte, daß er sich vierzehn Tage nicht bewegen konnte. Dennoch wurde er für seine Künste mit den zwei Ohren des Stieres ausgezeichnet, Trophäen, die nur selten ein Matador erhält.

Auch die spanische Bischofskonferenz mochte den „Torero-Pfarrer“ nicht tadeln. „Wohltätigkeit ist immer positiv“, zitierte die Zeitung 'El País‘ aus Kirchenkreisen. Denn die Einnahmen aus dem Spektakel behält „Don Angel“ keineswegs für sich. Das Geld soll diesmal für die Restaurierung eines El-Greco-Gemäldes in der Kirche verwendet werden. Seinem Auftritt im letzten Jahr ist zu verdanken, daß die Nonnen im Kloster des Dorfes nicht mehr frieren müssen, weil sie endlich eine Heizung einbauen konnten.