PRESS-SCHLAG
: High Noon oder Schmierenkomödie?

■ Von allen umstrittenen Leichtathletikfunktionären soll einzig Präsident Helmut Meyer geopfert werden

Geben wir's zu: Wie waren drauf und dran, ihnen zu glauben. Geradezu peinlich vehement zeigt sich der Wille zur Neuordnung in den Reihen des Deutschen Leichtathetlik-Verbands (DLV), so reuig perlen die Versprechungen einer dopingfreien, durchkontrollierten Zukunft von den Lippen der Verbandsobersten, so beschäftigt scheint der Doping-Experte Manfred Donike auf seiner anabolen Jagd. Die moralische Läuterung quillt seit geraumer Zeit aus jedem Funktionärsknopfloch. Doch ob der High Noon, der außerordentliche DLV-Verbandstag am Samstag in Darmstadt, tatsächlich zur Großabrechnung mit dem Präsidium wird, darf bezweifelt werden.

Denn mit einer gemeinsamen Erklärung haben sich die zwanzig Landessportpräsidenten auf ihrer vorbereitenden Tagung in Hannover aufs heftigste enttarnt: „Notwendige Reform- und Perspektivplanungen in einigen Aufgabenfeldern wie etwa dem Leistungssport, dem Breitensport und der Öffentlichkeitsarbeit sollen kurzfristig angepackt werden.“ Deshalb schlagen die Landesverbände die Einsetzung einer Arbeitsgruppe vor, „die strukturellen Überlegungen im Leistungssport tätigt.“

Als Zugabe soll „die öffentliche Diskussion über die Situation im Deutschen Leichtathletik-Verband aufgearbeitet und die aufgezeigten Schwachstellen analysiert werden“. Will heißen: Viel wird geredet, palavert, geschwätzt, Gremien jagen Ausschüsse, Kommissionen folgen Arbeitsgruppen, und ein gewiefter Pressesprecher muß Informationen sieben.

Das Messer, das sich in den Hosentaschen der Sportler öffnet, wenn sie bestimmte Funktionäre schon von weitem sehen, soll demnach auch in Darmstadt geschlossen bleiben. So wird der von den Athleten ungeliebte, von den Zehnkämpfern gar bekämpfte Sportwart Manfred Steinbach nicht zur Debatte stehen. Und das, obgleich für kompetenten Ersatz gesorgt wäre: Zehnkampf-Olympiasieger Willi Holdorf ist willig, Steinbachs Position zu übernehmen.

Doch die mächtigen Passiven wollen es verdächtigerweise anders. „Schweren Herzens haben sich die Landesverbände dazu durchgerungen, über den Präsidenten zu reden. Den Sportwart ein Jahr vor Olympia auszutauschen, hielten sie nicht für gut“, sagte Holdorf enttäuscht. Der Großteil der Aktiven hingegen würden Manfred Steinbach, der kaum Kontakt mit seinen sportiven Sklaven pflegt, lieber heute als morgen loswerden, Olympia hin oder her.

Um also die Basis nicht völlig zu verärgern, muß ein prominentes Opfer her: Leichtathletik-Präsident Helmut Meyer. Über Funktion und Zukunft des „Leistungsmeyer“ soll debattiert werden, beschlossen die Zwanzig von Hannover und legten ihren Obersten auf den Opferaltar.

Der DLV-Chef zeigte sich am Montag allerdings überhaupt nicht in Opferstimmung. Tatsächlich war er überrascht von der Dolchstoß-Taktik seiner Landessportchefs. „Ich habe es bisher grundsätzlich abgelehnt, im Gegensatz zu Vizepräsident Wolfgang Delfs Personaldiskussionen und Anschuldigungen in der Öffentlichkeit zu führen bzw. zu erheben, wie er dies in und nach Tokio wiederholt getan hat. Zudem entspricht es meinem Selbstverständnis, mit allem Nachdruck um meine Position zu kämpfen, um die Ziele der Leichtathletik, von denen wir bereits in den verflossenen zweieinhalb Jahren einige mit Erfolg verwirklichen konnten, weiterhin konsequent zu verfolgen. Ich bin niemand, der schon beim ersten Windstoß umfällt.“

So bleibt zu hoffen, daß ein Sturm der Wut losbricht, um den machtgierigen Funktionär aus Latschen und Position zu kippen. miß