Pogromstimmung ist deutscher Alltag

■ Aggressionen von Deutschen gegen ausländische Flüchtlinge nehmen kein Ende/ Das Bundesamt für Verfassungsschutz registrierte dieses Jahr eine Vervierfachung von Straftaten rechtsextremer Täter

Düsseldorf (taz/ap/dpa) — Die Serie von gefährlichen Übergriffen auf nordrhein-westfälische Flüchtlings- und Aussiedlerheime setzte sich in der Nacht von Montag auf Dienstag unvermindert fort. In der ostwestfälischen Kleinstadt Herford warfen schon wieder drei unerkannt gebliebene Männer Molotowcocktails auf ein Heim für Asylsuchende und Aussiedler. Verletzt wurde niemand. In Dortmund, Duisburg und Frechen gingen reihenweise Fenster von Flüchtlingsheimen zu Bruch. Nur der Dortmunder Polizei gelang die Festnahme von drei Personen. In Frechen war es erst am 28. September zu einem besonders dreisten Überfall gekommen: Drei unbekannte Männer, unter anderem mit Faustfeuerwaffen ausgerüstet, waren in ein Flüchtlingsheim eingedrungen und hatten, so die Polizei, „in Westernmanier jeden einzelnen Wohnraum in Augenschein“ genommen. In Bad Honnef bei Bonn durchschlugen zwei Bleikugeln das Fenster eines Hauses für Asylsuchende. In Recklinghausen brannte in derselben Nacht die Eingangstür des deutsch-türkischen Vereins. Aufgeklärt ist inzwischen der Brandanschlag auf ein Recklinghausener Flüchtlingsheim vom vergangenen Freitag. Mit zwei Molotowcocktails, Kieselsteinen und Knüppeln bewaffnet hatten etwa zwanzig Personen das Heim überfallen. Die Polizei ermittelte zwei Haupttäter und 13 Mittäter. Doch damit nicht genug: Vor einer Flüchtlingsunterkunft in Ibbenbüren wurden am Montag abend zwei Asylsuchende mit Schreckschußpistolen beschossen. Insgesamt umfaßt der traurige Katalog der Angriffe auf Ausländer in Nordrhein-Westfalen seit vergangenem Freitag mehr als dreißig gefährliche Anschläge. In Freiburg wurde zum fünften Mal ein Brandanschlag auf dieselbe Fremdenunterkunft verübt, und in Hamburg verschütteten Unbekannte Benzin im Eingang und im ersten Stock einer Flüchtlingsherberge.

Auch in den neuen Bundesländern kommen Ausländer nicht zur Ruhe. Innerhalb der letzten drei Tage wurden auf ein Schweriner Asylantenheim zwei Brandanschläge verübt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz verzeichnet in diesem Jahr bereits eine Vervierfachung rechtsextremistischer Gewalttaten im Vergleich zu 1990. Allerdings erfaßten die Zahlen des Jahres 1990 nur das alte Bundesgebiet. Inzwischen aber ist für Rechtsextremisten in ganz Deutschland offensichtlich das Feindbild „Ausländer“ besonders zugkräftig geworden, so BfV-Präsident Werthebach. Dementsprechend nannte er es als „bereits überholt“, daß lediglich um die zehn Prozent der Skinhead-Szene dem gewalttätigen Neonazi-Potential zugerechnet werden müßten. Die „ursprünglich eher subkulturelle Jugendszene“ der Skinheads werde „immer mehr politisiert“.