Grüne hadern mit ihrer Rolle

■ Bereitschaft zu Rot-Grün bekräftigt / Martin Thomas: Wedemeier muß gehen

War es die spürbare Last der künftigen Verantwortung oder war es die Angst davor? So richtig konnte sich am Dienstag abend niemand freuen, daß die Grünen ihr Wahlziel voll erreicht haben. Die Mehrheit der SPD ist gebrochen, eine Rot-Grüne Koalition in greifbare Nähe gerückt doch jetzt treibt die Grünen die Sorge, in den Strudel des SPD-Niedergangs gezogen zu werden. Schon der erste Debattenredner bei der Landesmitgliederversammlung am Dienstag abend gab den Tenor der Versammlung vor: „Bei diesen dramtischen Verlusten hat die SPD keinen Auftrag zum Regieren bekommen“, resümmierte Helmut Häussermann, der vor den Wahlen in einer Wählerinitiative Stimmung für Rot-Grün gemacht hatte. Seine Kritik an der SPD, die mit viel Applaus bedacht wurden: „Von Zeichen der Umorientierung haben wir seit Sonntag abend nichts gesehen. Die Nullen sind nicht benannt worden“ und: „Es müssen sichtbare Zeichen der Auflösung des Filzes gesetzt werden. Wenn es keine Konsequenzen gibt, können die Grünen nicht Steigbügelhalter sein.“ Hilfestellung bei der Zerschlagung des Bremer Filzes erhoffte sich Häussermann von der FDP: Die Liberalen sollten Farbe bekennen gegen Rechtsruck, Filz und „für Bremen“.

Auch andere, die bislang eindeutig für Rot-Grün waren, treibt der Zweifel um: „Es ist die Gefahr, daß ein Stück weit so weiter gemacht wird, wie bisher“, meinte die Grünen-Vorständlerin Cecilie Eckler-von Gleich. „So eine Koalition könnte uns das Genick brechen.“ Und Helga Trüpel wollte sich „nicht einfach freuen“, sondern verlangte von der SPD „deutliche Zeichen der personellen Erneuerung.“ Dafür müßten Personen von außen geholt werden. Eine Ampelkoalition hat für Trüpel den Reiz einer „ganz neuen Debatte.“

In der Forderung der personellen Erneuerung der SPD waren sich alle RednerInnen einig, doch Namen nannte nur einer. „Es ist eine Frage des politischen Anstandes, das Wedmeier zurücktritt“, meinte der bisherige Fraktionssprecher Martin Thomas. Und am Mittwoch morgen legte er gegenüber dpa noch einmal nach und brachte als Nachfolger Wedemeiers den in Frankfurt gescheiterten ehemaligen Oberbürgermeister Volker Hauff ins Gespräch. Entscheiden müsse die SPD allerdings selbst. Im Hintergrund der Koalitionsgespräche wird spekuliert, ob Wedemeier vielleicht nach den niedersächsischen Kommunalwahlen seinen Rücktritt erklärt.

Einigen Delegierten ging die Diskussion um eine Ampelkoalition, die auch im Antrag des Vorstandes nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird, auf die Nerven. „Was für eine SPD hat diese Versammlung im Kopf gehabt, als sie eine Rot-Grüne Wahlaussage beschlossen hat“, fragte eine und die künftige Abgeordnete Caroline Linnert wandte sich gegen „Filz als nebulösen Begriff“ und meinte: „Das Gerede von einer Ampelkoalition schwächt unsere Position.“ Die Alternative zu Rot-Grün sei die Opposition.

Ralf Fücks warnte die Versammlung vor einer großen Koalition. Es gebe in der SPD Stimmen, die auf Sicherheit statt auf Innovation setzten. Für den Fall einer grünen Regierungsbeteiligung kündigte Fücks „ein bißchen Blut, Schweiß und Tränen“ an. Angesichts der Lage Bremens sei die Zeit der Versprechenskultur „wirklich vorbei.“ Der DVU- Wahlerfolg habe das Thema multikulturelle Gesellschaft in das politische Zentrum gerückt. Statt des verfassungsrechtlich nicht möglichen Ausländerwahlrechtes forderte Fücks einen durch Wahl legitimierten Ausländerrat als Interessenvertretung der in Bremen lebenden EinwanderInnen und Flüchtlinge. Weitere Grünen-Konsequenz aus dem DVU-Erfolg: Die AusländerBehörde der SPD-Unterbezirksvorsitzenden Dagmar Lill, die „vollständig versagt hat“ (Fücks), solle in ein Amt für multikulturelle Politik mit ressortübergreifenden Kompetenzen umgewandelt werden.

Nach zweistündiger Diskussion entschiedien sich die Grünen dann gegen wenige Stimmen für eine Erklärung, die die Bereitschaft zur rot-grünen Koalition noch einmal betont, eine Ampelkoalition aber nicht grundsätzlich ausschließt. Ein Antrag gegen die Ampel wurde knapp abgelehnt. Doch für eine Regierungsbeteilgung haben die Grünen nun eine Voraussetzung formuliert, die nur von der SPD erfüllt werden kann: „Eine rot-grüne-Koalition setzt die Bereitschaft der SPD zur politischen und personellen Erneuerung voraus.“ hbk