Heimlich die Faust in der Tasche

■ Stefan Heym: »Neue Machthaber« möchten jede DDR-Identität vernichten, doch eine Menge davon wird bleiben/ Heute tun viele, als seien sie Märtyrer gewesen

Berlin. Ungeachtet seiner Äußerung, von der DDR bleibe nur eine Fußnote der Geschichte, werde »eine ganze Menge« DDR-Spezifisches weiterexistieren. Allerdings würden nur wenige Leute um dieses Besondere wissen, so der Schriftsteller Stefan Heym in einem Interview mit der Dresdner Tageszeitung 'Sächsische Zeitung‘, das am Vortag des 3. Oktobers veröffentlicht wurde. Er denke dabei vor allem an Haltungen und Einstellungen der Menschen.

»Wenn ich mir ansehe, was jetzt an Profitanbetung, Rücksichtslosigkeit hier hereinbricht, die Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der Bürger, dann ist dies genau das, was wir gern vermieden hätten.« Der Schriftsteller wolle damit nicht unterschlagen, daß die meisten Funktionäre der SED oder des Staatssicherheitsdienstes ebenfalls keine Rücksicht nahmen, die Menschen auch nur Mittel zum Zweck gewesen seien. »Der Zweck freilich ging in eine andere Richtung.«

Die »neuen Machthaber allerdings möchten alles vernichten, was an DDR-Identität erinnert«. Wenn auch nicht der DDR-Staat in jener Form, so sei »einiges dagewesen, was erhaltenswert gewesen wäre«. »Das geht nun auch den Bach hinunter.« Heute wollten viele Deutsche wieder so tun, als ob sie Märtyrer gewesen wären, »Widerstandskämpfer, heimliche, mit der Faust in der Tasche«. Da nütze sie jedoch wenig, die Faust müsse man erheben, so Heym.

Stefan Heym, Jahrgang 1913, emigrierte 1933 in die CSR und die USA und war während des Zweiten Weltkrieges Offizier in der amerikanischen Armee. Mit literarischen Werken trat Heym zuerst während der Emigration hervor. Zu seinen großen Erfolgen zählen unter anderem Kreuzfahrer von heute, Der Fall Glasenapp und Der König David Bericht.

Heym geriet in den siebziger Jahren zunehmend in Opposition zur DDR-Kulturpolitik. 1976 war er einer der Unterzeichner der Solidaritätserklärung für den ausgebürgerten Liedermacher Wolf Biermann. Im April 1978 wurde er vom Kongreß des Schriftstellerverbandes der DDR ausgeschlossen und etwa ein Jahr später aus dem Verband relegiert. adn